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Peter S.

Peter S. besuchte die Volksschule, nach deren Abschluss er allerdings keinen Beruf erlernte. Aus nicht genannten Gründen wuchs er nicht bei seinen Eltern, sondern bei seinen Großeltern auf, bei denen er auch zum Zeitpunkt seiner Verhaftung noch wohnte. Seine Eltern hatten Köln 1935 mit Sohn Peter in Richtung Blankenheim verlassen. Nachdem die Mutter jedoch 1936 gestorben war, kehrte er zu seinen Großeltern zurück, während sein Vater, den er seitdem nicht mehr gesehen hatte, nach Bonn verzog.

Eine "feste Arbeit", so Peter S. im Verhör durch die Gestapo, habe er "bis jetzt noch nicht gehabt". Er habe sich "immer ein paar Groschen mit Gelegenheitsarbeiten verdient", seit etwa fünf Wochen arbeite er beispielsweise "tageweise" bei einem Briketthändler am Bonner Wall. Das "kleine Entgelt", das er für diese Arbeit bekomme, gebe er komplett bei seinen finanziell offenbar nicht gut gestellten Großeltern ab. Der 64jährige Großvater arbeite bei einem Bauern in Köln-Raderthal.

Einer kirchlichen oder bündischen Organisation, so Peter S. auf die entsprechende Frage des verhörenden Gestapobeamten M., habe er "bis jetzt" nicht angehört. Auch sein Vater sei parteilos gewesen, habe sich allerdings für die KPD betätigt und einer kommunistischen "Kriegsbeschädigten-Organisation" angehört. Ob sich auch sein Großvater im Sinne der KPD betätigt habe, wisse er nicht. "Als meine Eltern vor der Machtübernahme eine Zeit lang in der Mülheimer Kaserne wohnten, war ich auch einige Wochen zu Hause. Dort habe ich auch viel Umgang mit Jungens gehabt, die sich für die KPD betätigten."

Im Frühjahr 1935, so Peter S. vor der Gestapo, sei er in die HJ eingetreten und habe hier der Gefolgschaft 16 im Bann 217 angehört. "Seit Ende des Jahres habe ich aber keinen Dienst mehr gemacht, da ich die Beiträge nicht bezahlen konnte." Ob er deshalb mittlerweile aus der HJ ausgeschlossen worden sei, wisse er nicht; eine Mitteilung hierüber habe er jedenfalls nicht erhalten.

Einige der Jugendlichen, die sich am Georgsplatz treffen würden, so Peter S. am 17. Oktober 1937 vor der Gestapo, kenne er etwa ein halbes Jahr. Hermann K. habe er durch seinen Freund Josef H. während der Mai-Kirmes auf dem Neumarkt kennengelernt und sei von ihm zum Waidmarkt eingeladen worden. "K. machte mir den Vorschlag, bei ihnen in die bündische Jugend einzutreten unter der Bezeichnung 'Neroter' [!] und 'Navajo'. Er erzählte mir, dass sie sich zu mehreren zusammenschließen, Lieder singen und spielen. Und wenn dann die HJ kommt und sie wegjagen will, zerschlagen sie sich mit ihnen." Aus diesem Grund, so S. in seinem Verhör weiter, habe er einen Eintritt in die Gruppe abgelehnt. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich "aber des öfteren, fast jeden Abend, mit diesen Jungens auf dem Georgplatz oder anderen verabredeten Plätzen" zu treffen - eine Aussage, die nahelegt, dass er sehr wohl Angehöriger der Gruppe war.

S. trug auch Teile der üblichen Kluft, nämlich eine "kurze schwarze Hose, aber ohne Reißverschluß" sowie einen Handgelenkriemen, allerdings - so betonte er gegenüber dem vernehmenden Gestapobeamten - ohne Totenkopf und auch nur, weil er sich die Hand verstaucht habe. Zur Anschaffung der weiteren, zur Kluft zählenden Kleidungsstücke fehle ihm das Geld.

Im Rahmen seines Verhörs musste S. einräumen, dass er "vor einigen Wochen" bereits mit weiteren Jugendlichen im Volksgarten festgenommen und der Gestapo vorgeführt worden sei, "weil wir dort Krach gemacht und groben Unfug verübt hatten". Außerdem teilte er mit, sein Freund Josef H., durch den er Hermann K. kennengelernt habe, befinde sich seit Sommer in der Erziehungsanstalt in Euskirchen, "weil er verschiedentlich gestohlen" habe.

Nach Angaben des ermittelnden Gestapobeamten galt Peter S. als eines der "eifrigsten Mitglieder" der Clique und war seitens der Gestapo zuvor bereits "verschiedentlich erfolglos verwarnt worden".

Die Jugendgruppe vom Georgsplatz sollte Gardinen des NSV-Mädchenheimes in Brand gesteckt, Fensterscheiben anliegender Häuser eingeworfen und Passanten belästigt haben. Er, so S. im Verhör, habe sich daran jedoch nicht beteiligt und seine Verhaftung am 16. Oktober sei ungerechtfertigt gewesen. An diesem Abend habe er mit vier Jugendlichen zusammengestanden und weder gesungen noch andere Dinge getan. Daher sei er - im Gegensatz zu den übrigen - auch nicht weggelaufen, als die Polizei gekommen sei.

Nach seinem Verhör am 17. Oktober wird S., da die übrigen in der Anzeige beschuldigten Jugendlichen noch nicht vernommen werden konnten, "bis zur weiteren Aufklärung" zunächst im Gestapo-Hausgefängnis im EL-DE-Haus, kuzrze Zeit später im Polizeigefängnis Klingelpütz inhaftiert.

Am 16. Dezember 1937 wird S. vom Kölner Sondergericht zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, die durch die Untersuchungshaft abgegolten waren. Das Gericht führte zu seiner Person aus: "Der Angeklagte S. lässt sich dahin ein, er habe bis Frühjahr 1935 der HJ angehört und sei, weil er kein Geld zur weiteren Beitragszahlung gehabt habe, wegen ‚Interesselosigkeit' ausgeschlossen worden. Im Frühjahr dieses Jahres habe er sich dann der Gruppe angeschlossen, die im Volksgarten zusammenkam und dort zur Klampfenbegleitung Lieder sang. Dort sei er einmal von einem Polizeibeamten angehalten werden, der ihm den Rat gegeben habe, sich zurückzuziehen. In der Folgezeit habe er sich dann dem Treff am Georgsplatz angeschlossen und habe von September bis Anfang Oktober 1937 etwa zwei Wochen lang regelmassig an den Zusammenkünften des Treffs teilgenommen. Auch habe er eine Fahrt nach Rösrath mitgemacht, wobei am vereinbarten Treffpunkt etwa 15 Personen, teilweise mit schwarzer Hose und kariertem Hemd bekleidet und mit einem mit Totenkopf geschmücktem Armriemen ausgerüstet zusammengekommen seien. Es seien dort und am Georgsplatz Lieder wie das von den Navajos, das Platoff- und das Rübezahllied gesungen worden, auch hätten sich die Mitglieder der Treffs mit dem geschilderten besonderen Händedruck begrüsst. Der übliche Anruf bei der Begrüssung sei ‚Ahoi' gewesen, während der Deutsche Gruss ‚Heil Hitler' nicht gern gesehen worden sei. Dass er sich mit dem Anschluss an die Gruppe strafbar mache, habe er nicht gewusst. Von irgendwelchen Gewalttaten der Navajos sei ihm nichts bekannt. Wenn er bei der Staatspolizei andere Angaben gemacht habe, so sei dies auf Angst und Verwirrung zurückzuführen."



 
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