Chronik 
Frau setzt sich für unangepasste Jugendliche ein

Am Abend des 22. März 1936 geht der Hitlerjunge Heinz W. in der Severinsstraße zusammen mit anderen Hitlerjungen gegen eine Gruppe von etwa 50 Jugendliche vor, die "groben Unfug verübt hatten". Diese flüchten, als sie die HJ sehen. W. verfolgt daraufhin zwei Jungen und bekommt einen zu fassen. Eine Frau, die daneben steht, fragt: "Was hat der Junge verbrochen? Lassen Sie ihn doch laufen". W. erwidert, das gehe sie nicht an. Nach Angaben der Polizei beleidigt die Frau, Therese Sch., den Hitlerjungen vor seiner versammelten Mannschaft mit "Du Schnösel, Du Bettsecker". Daraufhin entsteht ein Streit zwischen W. und der Frau. W. ruft die Polizei, die Frau Sch. daraufhin auf die Wache bringt. Der festgehaltene Junge konnte in der Zwischenzeit flüchten.

Die 38-jährige Hausfrau Therese Sch. wird am 7. April 1936 zum Verhör vorgeladen. Sie schildert den Vorfall aus ihrer Perspektive: "Vom Georgsplatz her kamen zwei junge Leute gelaufen (...). Hinter diesem Jungen kamen 1 Hitler-Junge und andere junge Leute gelaufen (...). Der Hitler-Junge trat auf den stehen gebliebenen Jungen zu und riß ihn hin und her. Ein kleiner Junge, der Bruder des Jungen, der gestellt worden war, sagte, daß sein Bruder doch nichts getan habe (...). Dadurch wurden meine Muttergefühle wach und ich trat hinzu und fragte, was der Junge denn getan habe. (...) Der Hitler-Junge (...) sagte, das gehe mich nichts an. Er bediente sich hierbei eines Ausdrucks, den er einer älteren Frau gegenüber nicht gebrauchen durfte und zwar sagte er dem Sinne nach: "Das geht Sie einen Dreck an! oder er sagte: "Drecksweib, das geht Sie nichts an!" (...) Hierdurch wurde ich erregt und gebrauchte ich den Ausdruck: "Rotzbengel! oder Du Rotznase, schrei mich nicht so an!" Dieser Ausdruck, dem Hitler-Jungen gegenüber, tut mir leid und habe ich nachher auf der Wache den Jungen auch mehrmals um Verzeihung gebeten."

Trotz der Entschuldigung zieht der Hitler-Junge seine Anzeige wegen öffentlicher Beleidigung und Verächtlichmachung der Uniform eines HJ-Führers nicht zurück. Der Oberstaatsanwalt allerdings stellt das Verfahren in der Überzeugung ein, die HJ als solche sei nicht beleidigt worden.



 
Lexikon
Hitlerjugend (HJ)