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Steigende Jugendkriminalität im Krieg

Im Juni 1940 berichtet der Kölner Landgerichtspräsident über die Entwicklung der Kriminalität in seinem Bezirk seit Kriegsbeginn. Zwar zeige diese, so seine Beobachtung, trotz des Krieges und abgesehen von neuen "kriegsbedingten Sondertatbeständen" keine Zunahme, aber der "Anteil jugendlicher Personen ... an vielfach schweren Straftaten" sei erheblich angestiegen und "im Verhältnis recht groß".

Die Ursachen für diese Entwicklung, so analysiert der Richter, seien "nicht immer deutlich erkennbar". "Vielfach mögen hier durch den Krieg hervorgerufene Umstände - Abwesenheit des Vaters, Ausfall von Schulstunden, Überverdienst infolge Arbeitermangels u.ä. - mitspielen. Als wirklich entscheidend wird man diese Umstände aber kaum bezeichnen können. Die Richter haben vielmehr den Eindruck, daß verhältnismäßig viele Jugendliche heute zu früh der Zucht des Elternhauses entwachsen, weil die Eltern nicht genügend Autorität gegenüber ihren Kindern, namentlich ihren Jungen, besitzen. Dies beruht wiederum darauf, daß die bei allen Generationen zu findenden unterschiedlichen Auffassungen zwischen Eltern und Kindern notwendigerweise in einer Zeit besonders hervortreten, in der sich ein völliger Umbruch aller grundlegenden Anschauungen vollzieht."

Die Hitlerjugend vermöge nach Ansicht des Landgerichtspräsidenten hier kaum Abhilfe zu schaffen, da deren Trachten "als Gemeinschaftserziehung auf umfassende politische Ziele ausgerichtet" sei und sich nicht "in einer eingehenden persönlichen Betreuung jedes einzelnen Jugendlichen verlieren" dürfe. Doch selbst Versuche in dieser Richtung seien offenbar zum Scheitern verurteilt gewesen, da die Betreuung von Heranwachsenden stets "ein Maß von Lebensreife und Erfahrung" erfordere, "das man von HJ und JV [Jungvolk] ... kaum verlangen" könne. Außerdem sei aus Einstellung und Äußerungen jugendlicher Angeklagten deutlich hervorgegangen, "daß die in Betracht kommenden jugendlichen Führer ihre Gefolgschaft vielfach nicht fest genug in der Hand" hätten, "um den Einzelnen im Augenblick der Gefahr bei der Stange halten zu können". Alles in allem kein positives Zeugnis des Kölner Richters für die Hitler-Jugend.

Gleichzeitig stellt er ein paralleles und hierdurch mitbedingtes Phänomen fest: "Sodann ist zu beobachten, daß gefährdete Jugendliche oft gerade dann, wenn sie einer tatkräftigen Führung besonders dringend bedürfen, ihre Mitgliedschaft bei der HJ oder JV entweder durch Austritt oder durch einen - möglicherweise absichtlich von ihnen herauf beschworenen - Ausschluß verloren haben." Die so aus der HJ ausgetretenen bzw. ausgeschlossenen Jugendlichen seien aber "doppelt gefährdet", "weil sie sich jedes Zwangs zu äußerer und innerer Disziplin entledigt sehen und überdies als frühzeitige Außenseiter leicht zu einer schlechthin verneinenden Haltung gegenüber der Volksgemeinschaft gelangen".



 
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