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Vom 6. bis zum 14. Lebensjahr besuchte Aloys S. die Volksschule. Nach seiner Schulentlassung half er seinem Vater zunächst im Dachdeckergewerbe, um dann im Mai 1935 zu Landhilfe nach Ribnitz zu gehen. Von hier wurde er jedoch, ohne dass im Gestapo-Verhör hierzu Gründe genannt wurden, bereits nach 14 Tagen wieder nach Köln zurück geschickt. Hier war er dann zunächst fast ein Jahr bis April 1936 arbeitslos, bis er sich freiwillig zum Landdienst meldete. Vom 10. April bis zum 15. November 1936 war er daraufhin als "Landdienstler" im Landdienstlager der HJ in Dornburg-Wilsdorf im Einsatz.
Nach der erneuten Rückkehr nach Köln verrichtete S. "Gelegenheitsarbeiten". Zum Zeitpunkt seiner Festnahme war er in der Fabrik Bausch & Sohn in Köln-Bayenthal beschäftigt und verdiente dort rund 22 RM in der Woche.
S. war kein Mitglied in der HJ. "Wenn mir die Frage gestellt wird, warum ich nicht der Hitlerjugend beigetreten bin", so äußerte er im Gestapo-Verhör, "so möchte ich folgendes dazu sagen: Mein Vater ist Kriegsbeschädigter, der z.Zt. arbeitslos ist. Unsere Familie besteht noch aus sechs Personen, die mein jüngster Bruder und ich ernähren müssen. Durch diese Verhältnisse bin ich nicht in der Lage, mir eine Hitleruniform zu kaufen, und in einem schlechten Zivilanzug kann ich bei der HJ nicht antreten, was auch nicht erwünscht ist." Er habe sich dennoch zunächst "einigen der Jungen der HJ angeschlossen", mit denen er auch sonntägliche Radtouren unternommen habe. "Später bin ich durch meine Schulfreunde auch mit dieser Navajojugend zusammengekommen und habe daher von den HJ-Jungens abgelassen."
Im Sommer 1937 stieß S. offenbar zur Gruppe am Georgplatz und unternahm in den folgenden Wochen mit ihr Ausflüge nach Rösrath und in den Königsforst. Namen kannte er nach seinen Angaben im Verhör noch nicht, da er der Gruppe erst seit kurzer Zeit angehöre, versprach dem Vernehmungsbeamten aber, diese zu ermitteln, wenn er entlassen werde.
Nachdem Alois S. am 21. Oktober 1937 aus der Schutzhaft entlassen worden war, wurde er am gleichen Abend im Rahmen einer Großrazzia erneut festgenommen, als er von der Gestapo in einer Gruppe Jugendlicher am Treffpunkt "Tauzieher" am Leystapel angetroffen wurde. In seiner neuerlichen Vernehmung wiederholte er seine Angaben zu den Fahrten, die er mitgemacht hatte und räumte auch ein, die "Begrüßungsart der Navajos", den "vorgeschriebenen Händedruck" mit verschränkten kleinen Fingern ebenso angewandt zu haben wie den Begrüßungsruf "Ahoi". Er sei jedoch, so betonte er, nicht gegen die HJ eingestellt. Anfangs habe er nicht gewußt, "dass es sich bei den Navajos um eine verbotene Bündische Organisation" handele. "Als ich dahinter kam, waren meine Bindungen bereits so fest, dass ich weiter mitmachte." Er glaube jedoch keinesfalls, "dass es sich um eine staatsfeindliche Organisation handele", sondern habe vielmehr stets angenommen, "dass die Polizei hinter uns her sei, weil schon einmal Schlägereien vorgekommen" seien, an denen er aber nie beteiligt gewesen sei. Im übrigen habe er Kraftriemen mit Totenkopf zwar gesehen, jedoch ausschließlich "auf Tour im sogenannten Ammerländchen bei mir nur vom Ansehen bekannten Burschen".
S. galt als einer der Hauptbelasteten im Kontext des Zusammenstoßes zwischen NSKK-Trupp und Jugendlichen auf der Hohe Straße am 12. Oktober 1937. Er stellte Theodor B. als den aktiven Part dar, der sich das Fahrrad des ermahnten Jugendlichen genommen und versucht habe, mit diesem davon zu fahren, als der NSKK-Mann ihn habe belehren wollen. B. sei angehalten und schließlich "belehrt" worden, während ein anderer Jugendlicher begonnen habe, auf der Gitarre ein Lied zu spielen, zu dem die übrigen gesungen hätten. Schließlich hätten sich immer mehr Menschen angesammelt und es sei zu einer "Schlägerei zwischen den dort stehenden Taxifahrern" gekommen.
Alle anderen Vorwürfe ("Misshandlung eines alten Mannes", Ausruf "braune Bande" etc.) bestritt S.. Vielmehr habe die Gruppe weitergehen wollen, als mehrere NSKK-Männer erschienen seien, die B. mitgenommen hätten. Er sei dann - wie viele andere auch - der Gruppe gefolgt und schließlich von einem Polizeibeamten festgehalten und vorgeführt worden. Nach Feststellung der Personalien seien sie vom Polizeirevier wieder entlassen worden. Er möchte, so S. zum Schluss des Verhörs, nochmals betonen, dass der den Vorfall so geschildert habe, wie er sich tatsächlich zugetragen habe. "Wenn mir zum Schluß vorgehalten wird, dass meine Angaben nicht der vollen Wahrheit entsprechen", so bleibe er dennoch bei seiner Aussage und betone, "dass es die reine Wahrheit ist, was ich hier angegeben habe".
Gegen S. wurde eine siebentägige Schutzhaft verhängt. Nach seiner neuerlichen Verhaftung am 21. und dem Verhör am 22. Oktober 1937 wurde er nach der Vernehmung ins Polizeigefängnis Klingelpütz überstellt. Bei seiner Vorführung am Amtsgericht am 25. Oktober 1937 wiederholte S. seine Aussage und bestritt nochmals alle Beschuldigungen. Am 16. Dezember 1937 wurde er vom Kölner Sondergericht zu zwei Monaten und einer Woche Gefängnis verurteilt. Das Gericht führte zu seiner Person aus: "Der Angeklagte S. war nicht in der HJ", weil er angeblich kein Geld für Uniform und Beiträge hatte. Nach seiner Einlassung hat er sich im Herbst 1937 den Navajos angeschlossen und hat mit der Gruppe vom Georgsplatz verschiedene Fahrten zum Königsforst und nach Rösrath gemacht. Es wurden hierbei die üblichen Lieder, wie z.B. das von Madagaskar gesungen, der Gruß war ‚Ahoi', man begrüsste sich mit dem oben geschilderten besonderen Händedruck. S. hat bei den Fahrten eine Samthose getragen, die er angeblich vom Landjahr her hatte. Er will hauptsächlich die Mitangeklagten B. und M. gekannt haben, bei den Fahrten seien auch schon mal Mädchen mitgewesen. Er gibt zu, dass er, nachdem er in der fraglichen Angelegenheit bereits 7 Tage in Schutzhaft war, unmittelbar mach seiner Entlassung wieder zu dem Treff der ‚Navajos' am Tauzieherdenkmal gegangen sei, wo er einige seiner Genossen getroffen habe. Als Folge dieses Verhaltens ist er dann noch am gleichen Abend wieder festgenommen worden."
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