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Willi B.

Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte Willi B. vom 24. April bis zum 17. Dezember 1935 das Landjahr, um danach eine Lehre als Elektriker bei der Firma Moritz Schmitz in Köln-Poll anzutreten. Hier war er zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch beschäftigt und verdiente zwischen 12,- und 13,- RM wöchentlich.

Einer NS-Jugendorganisation gehörte Willi B. nicht an.

Seit dem 1. März 1933 war er in der Gefolgschaft 4/16 Mitglied der HJ. Er hatte stets seine Beiträge entrichtet und auch am Dienst der HJ offenbar regelmäßig teilgenommen.

Vor einigen Wochen, so Willi B. vor der Gestapo, habe ihn Jakob M. gefragt, ob er nicht mit ihm und anderen Jungendlichen "auf Fahrt" gehen wolle. Daraufhin habe er Anfang September 1937 ihm bis dahin unbekannte Jungen aus Köln-Poll kennen gelernt, von denen er einige nur mit Vornamen benennen könne. Er sei seitdem lediglich zweimal mit nach Ramersdorf gefahren, wobei die Gruppe einmal von Polizei und HJ-Streife "gestellt" worden sei. "Ich bin deshalb mit diesen Jungen auf Fahrt gegangen, weil von der HJ aus solche Fahrten nicht unternommen wurden. (...) Ich habe keine Antieinstellung für die HJ. Ich habe meinen Dienst stets freudig versehen. Mit der Teilnahme an den Fahrten habe ich auch gegen die HJ nicht protestieren wollen."

Willi B. wurde im Rahmen der Razzia am 21. Oktober 1937 festgenommen. Nachdem er unmittelbar nach der Festnahme offensichtlich eingeräumt hatte, "Navajo-Angehöriger" zu sein, nahm er diese Aussage am folgenden Tag zurück und gab etwas schwer verständlich zu Protokoll, er habe sich "nur deshalb als zugehörig betrachtet, weil die Jungen nach meinem Wissen allgemein jetzt als 'Navajos' bezeichnet" würden. Er wurde nach der Vernehmung am 22. Oktober 1937 ins Polizeigefängnis Klingelpütz überstellt. Bei seiner Vorführung am Amtsgericht am 25. Oktober 1937 wiederholte B. seine Aussage und gab zu, mit „Navajos“ auf Fahrt gegangen zu sein. Er bestritt jedoch nochmals alle übrigen Beschuldigungen.

Am 4. November 1937 legte sein Rechtsanwalt eine - nach Aktenlage unbeantwortet gebliebene - vergleichsweise umfangreiche Haftbeschwerde ein, in der er u.a. ausführte: "Der minderjährige B. ist verhaftet worden, weil er angeblich einer bündischen Jugend angehört und dies auch zugegeben habe. Offenbar liegt nur ein Mißverständnis des Minderjährigen vor, da er niemals irgendeiner andersgerichteten Jugendvereinigung als der Hitlerjugend angehört hat. Offenbar hat der Minderjährige überhaupt mißverstanden, was unter einer bündischen Jugend zu verstehen ist. Er ist sich ebenso durchaus im Unklaren, was unter einem bündischen Lied verstanden wird und daß er solche mit Bewußtsein gesungen haben soll.". Seitens der HJ-Gefolgschaft 4/16 würde Willi B. als "politisch zuverlässig" bezeichnet. Sein Vater sei seit dem 7. Juni 1934 SA-Mann." Er werde sicherlich "alles dazu beitragen, daß festgestellt wird, daß der Minderjährige keineswegs sich in irgendeinem Sinne gegen den heutigen Staat gewandt hat, vielmehr die Interessen des Staates in jeder Weise vertreten" habe.

Am 16. Dezember 1937 wurde Willi B. vom Kölner Sondergericht als einziger der 17 Angeklagten freigesprochen. Das Gericht führte zu seiner Person aus: "Der Angeklagte B. war bei seiner Festnahme in der vorliegenden Sache noch Angehöriger der HJ. Nach seiner Einlassung hat ein Freund von ihm namens M. ihn einmal aufgefordert, eine Fahrt nach Oberkassel mitzumachen. Dies habe er getan, die Tour sei auch noch einmal wiederholt worden, wobei noch ein früherer Angehöriger der HJ mitgefahren sei. Es seien hierbei Lieder gesungen worden, namentlich solche der HJ und auch Schlager. Auf der Fahrt habe er die Hose der HJ getragen. Auch habe er die anderen Fahrtteilnehmer mit ‚Heil Hitler' begrüsst, allerdings sei dieser Gruß zum Teil nicht erwidert worden. Auch sei es richtig, dass er etwa 5 Wochen vor seiner Verhaftung gelegentlich zum Park nach Köln-Kalk gegangen sei und dort andere jungen Leute getroffen habe, jedoch sei ihm nicht bekannt, ob diese- ‚Navajos' gewesen seien. Wenn er bei seiner Vernehmung vor dem Richter am 25. Oktober 1937 gesagt habe, er habe gewusst, dass die ‚Navajos' im bewussten Gegensatz zur HJ ständen, so sei diese Aussage auf seine damalige Aufregung zurückzuführen. Jedenfalls habe er nicht gewusst, dass er sich strafbar mache, wenn er mit den erwähnten jungen Leuten zusammengekommen sei."



 
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