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Wilhelm M.

Vom 6. bis zum 14.Lebensjahr besuchte Wilhelm M. die Volksschule in Köln-Deutz und Köln-Kalk. Nach der Schulentlassung begann er (aber offenbar erst nach einem achtmonatigen "Landjahr") eine Lehre als Autospritzer, die er - nach eigener Angabe, weil "ein Lehrvertrag noch nicht abgeschlossen war" - wieder aufgab. Er arbeitete daraufhin anderthalb in einem Gemüsegeschäft im Perlenpfuhl, bis er im Oktober 1936 zur Landhilfe nach Dersenov (Oldenburg) ging, von wo er aber bereits Anfang November 1936 "ausrückte".

In dieser Zeit starb auch sein Vater, der nach M.s Rückkehr nach Köln beerdigt wurde. Ihm selbst wurde durch das Arbeitsamt eine Stelle zugewiesen. Bis Oktober 1937 hatte er die Beschäftigungen jedoch mehrfach gewechselt und war zur Zeit seiner Inhaftierung in einer Hutfabrik in der Kölner Innenstadt (St. Agatha) tätig.

Unmittelbar nach seiner Schulentlassung, so M. vor der Gestapo, sei er ins Landjahr nach Altenau/Harz gekommen, wo er acht Monate gewesen sei. Nach seiner Rückkehr nach Köln sei er in den Marinesturm der HJ eingetreten. "Da ich keine Mittel hatte, um mir eine Uniform zu kaufen, trat ich nach etwa drei Monaten wieder aus." Einer anderen HJ-Einheit habe er sich danach nicht mehr angeschlossen, wofür er aber keinen konkreten Grund angeben könne.

Wenn ihm seitens der verhörenden Beamten vorgehalten würde, dass er sich den "Navajos" angeschlossen habe, "wo ich doch bei der HJ besser aufgehoben gewesen wäre, so muss ich sagen, dass in dieser Jugendgruppe (Navajos) alle meine Freunde sind, und ich daher mit diesen jeden Sonntag Wanderfahrten mache". Es gefalle ihm, so M. weiter, dort ,einfach "besser" als in der HJ.

Bei den Wanderfahrten, dir hauptsächlich in den Königsforst, nach Rösrath und Bensberg führen würden, handele es sich lediglich um "gesellige Fahrten", die zumeist von dem ebenfalls inhaftierten Theodor B. organisiert würden. "Die Treffpunkte und Abfahrtzeiten werden nur von B. bestimmt, weil er im Lebensalter viel älter ist als wir anderen."

Nachdem Wilhelm M. am 21. Oktober 1937 aus der Schutzhaft entlassen worden war, wurde er am gleichen Abend im Rahmen einer Großrazzia erneut festgenommen, als er sich gemeinsam mit Theodor B. auf dem Weg zum Treffpunkt am Georgplatz befand. Dabei trug er bereits wieder die "bekannte Kleidung der Navajos". In seinem neuerlichen Verhör am 22. Oktober 1937 blieb M. dabei, dass er sich "nicht zur Gruppe der Navajos zugehörig fühle". Er musste allerdings nicht nur seine Teilnahme an Gruppentreffen am Georgplatz einräumen, sondern auch einräumen gewusst zu haben, "dass es hiess, man solle sich entfernen, wenn Streifen der Polizei kämen, weil die einheitliche Kluft verboten sei". Er gestand auch ein, selbst eine solche Kluft getragen zu haben, machte aber geltend, diese nach seiner zweiten Festnahme "in der Zelle nebst Stiefeln zerrissen" zu haben. Das verwundert um so mehr, als M. gleichzeitig aussagte, die Kleidungsstücke der Kluft seien "das einzigste" gewesen, "was ich anzuziehen hatte".

M. wurde beschuldigt, sich an der Auseinandersetzung mit dem NSKK-Verkehrserziehungsdienst am 12. Oktober 1937 aktiv beteiligt zu haben. Er bestritt jedoch, gegen die NSSK-Männer eine "drohende Haltung" eingenommen zu haben. Den Ausruf "Diese braune Bande" habe er nicht gehört. Auch wenn seine Einlassungen, so gab M. zu Protokoll, vom verhörenden Beamten als unwahr bezeichnet würden und er als einer der "Haupttäter" angesehen werde, so bleibe er doch bei seiner Aussage, dass er nichts getan habe, sondern sich lediglich die Unterhaltung zwischen dem NSSK-Mann und Theodor B. habe anhören wollen. Er habe bei der Vorführung auch keinen Widerstand geleistet und dabei den NSSK-Truppführer geschlagen und getreten. Es sei allerdings möglich, dass er sich beim Losreißen zur Wehr gesetzt und dabei dem Mann vielleicht "ohne Absicht ins Gesicht schlug". Im übrigen habe er sich nur so benommen, weil er "schuldlos und ohne Grund zur Polizeiwache geführt" worden sei.

Die Schuld sah M. bei den anderen Beteiligten: Diese sei Theodor B. "allein zuzuschreiben und ferner auch den anderen Burschen, die die Schlägerei in der Gürzenichstraße in die Wege" geleitet hätten. Er bat den Gestapobeamten abschließend, "von einer Bestrafung abzusehen", weil er "ohne Grund und Willen in diese Sache verwickelt" worden sei.

Gegen M. wurde eine siebentägige Schutzhaft verhängt. Nach seiner neuerlichen Verhaftung am 21. und dem Verhör am 22. Oktober 1937 wurde er nach der Vernehmung ins Polizeigefängnis Klingelpütz überstellt. Bei seiner Vorführung am Amtsgericht am 25. Oktober 1937 wiederholte M. seine Aussage und bestritt nochmals alle Beschuldigungen. Am 16. Dezember 1937 wurde er vom Kölner Sondergericht zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht führte zu seiner Person aus: "Der Angeklagte M. war drei Monate Angehöriger der Marine-HJ und ist dann ausgetreten, weil er angeblich kein Geld für eine Kluft hatte. Nach seiner Einlassung ist er von K. zum Georgsplatz bestellt worden, hat an den dortigen Zusammenkünften teilgenommen und hat auch zwei Fahrten zum ‚Ammerlandchen' mitgemacht. Er gibt zu, die anderen jungen Leute mit dem geschilderten Fingergruß begrüßt zu haben, hierbei will er angenommen haben, dass es sich ‚um eine neue Mode handele'. Er selbst hat bei den Fahrten eine schwarze Hose und hohe Stiefel getragen, es seien dort und auf dem Georgsplatz die oben erwähnten Lieder, ‚wie das Madagaskarlied', ‚Wir haben die ganze Welt bereiset' usw. gesungen worden. Bei B. habe er einmal einen Handriemen mit Totenkopf gesehen."



 
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