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Neue Richtlinien für den HJ-Streifendienst

Entgegen früheren Regelungen erhält der HJ-Streifendienst (SRD) erweiterte Kompetenzen, um gegen Gruppen der verbotenen "Bündischen Jugend" vorzugehen. In den auf den 1. Juni 1938 datierten neuen "Richtlinien für den HJ-Streifendienst" werden den Streifen nunmehr Verhaltensmaßregeln für ihr Einschreiten gegen bündische, konfessionelle und andere oppositionelle Gruppen an die Hand gegeben. Dort heißt es u.a.:

"B. Einschreiten gegen bündische Gruppen

1.) Die bündische Jugend ist in allen ihren Erscheinungsformen reichsgesetzlich verboten. Bündische Betätigung ist staatsfeindliche Betätigung. Die Überwachung der sich bündisch betätigenden Jugendlichen ist Sache der HJ und gehört damit zu einer wesentlichen Aufgabe des SRD.

2.)Voraussetzung für die Bekämpfung der bündischen Jugend ist, daß man sie erkennt. Nachfolgend sind einige charakteristische Merkmale aufgezählt:

a.) die Haltung ist lässig, unordentlich, unsauber;
b.) Haare und Kleidung sind ungepflegt;
c.) die Kopfbedeckung besteht häufig aus zerschnittenen Hüten und merkwürdigen Käppchen aller Art, geschmückt mit einer Unzahl von Abzeichen, Plaketten, Federn usw.;
d.) als Schuhe tragen sie Bundschuhe oder Schaftstiefel mit sehr kurzer Hose, die oft mit Troddeln versehen ist;
e.) an sonstiger Bekleidung sind karierte Hemden und bunte Halstücher hervorzuheben.

Der Gesamteindruck von bündischen Gruppen ist stets uneinheitlich. Fahrtenmesser aller Art werden getragen. Pfeifen und Kämme stecken in den Stiefelschäften, Reißverschlüsse befinden sich an allen möglichen und unmöglichen Stellen.

3.) Diese Merkmale müssen nun nicht alle bei jeder bündischen Gruppe vorliegen. Andererseits sind Einzelmerkmale kein Beweis für bündische Betätigung. Es ist deshalb beim Einschreiten mit Vorsicht zu verfahren.

4.) Bündische Betätigung wird meist bei Fahrtkontrollen festgestellt werden. Ergibt sich bei solchen Kontrollen nach dem Auftreten der Gruppe, der Art der Ausweise oder aus anderen Gründen der dringende Verdacht bündischer Betätigung, so ist die Polizei nach den allgemeinen Richtlinien für Verstöße gegen staatliche Gesetze und Verordnungen zu verständigen.

C. Einschreiten gegen konfessionelle und andere Gruppen

1.) Einige konfessionelle Gruppen sind erlaubt. Es ist ihnen aber verboten, Abzeichen und Gleichtracht zu tragen, Fahnen oder Wimpel zu führen, Fahrten zu unternehmen und gemeinsamen Sport und Wehrsport zu treiben.

2.) Wird also eine konfessionelle Gruppe beobachtet und festgestellt, so liegt in den meisten Fällen schon deshalb, weil man sie ohne weiteres als solche erkennen konnte, eine strafbare Handlung vor. Es ist daher wie bei den bündischen Gruppen zu verfahren und die weiteren Maßnahmen sind der Polizei zu überlassen.

3.) Jugendgruppen des Reichsnährstandes, des Guttempler-Ordens und des Roten Kreuzes gibt es nicht mehr. Ebenso gibt es keine Jugendgruppen der DAF. Die Werkscharen der DAF dürfen nur über 18 Jahre alte Personen aufnehmen. Etwa damit nicht in Einklang stehende Tatsachen sind zu melden.

4.) Bei Fahrten einzelner Jugendlicher, die beanstandet werden, sind folgende Feststellungen zu machen:

Name,
Vorname,
Wohnort,
Straße,
Geburtsort,
Geburtsdatum,
Konfession,
Zugehörigkeit zur HJ,
frühere Zugehörigkeit zu bündischen, konfessionellen oder polizeilichen Verbänden,
Ausgangsort,
Ziel und Zweck der Fahrt,
Kleidung.

Bei Fahrten von Gruppen Jugendlicher ist nach Möglichkeit folgendes festzustellen;

verantwortlicher Führer,
konfessionelle Zusammensetzung,
Alter und Geschlecht der Teilnehmer,
Teilnahme von Angehörigen der HJ,
Kleidung,
Liedgut,
Gesamthaltung. (...)

D.) Einschreiten gegen Ausländer und Juden (...)

2.) Juden sind ebenfalls Nichtangehörige des deutschen Volkes. Sie genießen hier nur Gastrechte. Die jüdische Jugend ist demzufolge nicht Staatsjugend und in keiner Weise der HJ unterstellt. Die HJ ist für ihr Treiben nicht verantwortlich.

Daraus folgt, daß der SRD grundsätzlich weder gegen jüdische Gruppen, noch gegen jüdische Einzelpersonen einzuschreiten hat. Stellt er fest, daß er infolge Unkenntnis einen Juden aus irgendeinem Grunde angehalten hat, so beendet er sofort sein Vorgehen.

3.) Das ändert natürlich nichts an der allgemeinen Pflicht jedes Volksgenossen und damit auch des SRD-Führers oder SRA, im Falle von Verstößen gegen staatliche Gesetze und Verordnungen die Polizei zu verständigen und im Falle dringender Gefahr einstweilen selbst einzuschreiten. (...)

E. Einschreiten in geschlossenen Räumen (...)

5.) Beim Einschreiten in wilden Übernachtungsstätten ist stets die Polizei zuzuziehen. Das gleiche gilt bei der Feststellung von gemeinsamem Übernachten Jugendlicher verschiedenen Geschlechts.

HJ-Angehörige dürfen auch nicht in solchen Übernachtungsstätten übernachten, in denen gemischte Gruppen von Erwachsenen übernachten.

Die Jugendlichen werden von der Polizei sofort getrennt. Gleichzeitig sind durch den GSRF, dem sofort Meldung zu machen ist, die Eltern der Jugendlichen zu benachrichtigen.

Derartige Maßnahmen können jedoch nur dann ergriffen werden, wenn durch die Art der Räumlichkeiten eine unerlaubte Annäherung der Geschlechter ermöglicht oder eine solche tatsächlich nachgewiesen wird.

6.) Jg, die sich in verbotenen Übernachtungsheimen aufhalten und die bei einer nur gemeinsam mit der Polizei durchzuführenden Kontrolle festgestellt werden, sind zum Verlassen des Heimes aufzufordern.

Kommen sie dieser Aufforderung nicht nach, obwohl sie HJ-Ausweis bei sich führen, so muß angenommen werden, daß sie den Ausweis zu unrecht besitzen. Es ist in solchen Fällen die Polizei darauf aufmerksam zu machen, daß der Verdacht eines Vergehens gegen das Heimtückegesetz vorliegt. Das gleiche gilt in Fällen, in denen Jugendliche, die sich nicht ausweisen können, Uniformteile der HJ tragen.

7.) Verrufene Straßen sind vom SRD unter allen Umständen nur in Zivil zu betreten.

Freudenhäuser dürfen nicht betreten werden. Etwa notwendiges Einschreiten ist allein der Polizei zu überlassen."



 
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