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Hans W.

Als einziges Kind hat Hans W. ab 1933 die Volksschule besucht, ab 1939 die Oberschule. Er ist Ostern 1942 vorzeitig abgegangen und hat dann eine Lehre bei dem Vermessungsingenieur Erwin Br. in Köln-Brück angetreten. Am 28. Juni 1943 wurde Hans W. gemustert und wartete auf die Einberufung. 1942 wurde er vom Jugendgericht Köln zu zwei Wochenendkarzern verurteilt, weil er mit einem Kraftwagen ohne Führerschein gefahren ist.

Hans W. gehörte seit 1936 dem Jungvolk an und wurde 1937 in die HJ überführt. Im Jungvolk bekleidete er zuletzt den Rang eines Oberjungenschaftsführer. Seit etwa 1 1/2 Jahren meide er jedoch den HJ-Dienst weil er, wie er in dem Gestapoverhör angab, eine Überweisung in eine andere Formation bekommen hatte, die ihm nicht zusagte.

Hans W. wird im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Mülheimer HJ-Dienststelle am 18. Oktober 1943 "wegen bündischer Betätigung und Waffenbesitz" verhaftet und nach Brauweiler gebracht, von wo aus er am 22. November 1943 in das Gefängnis Klingelpütz gebracht wird. Im Haftbefehl vom 7. Dezember 1943 heißt es: "Er wird beschuldigt, zu Köln im Jahre 1943 sich als Angehöriger einer oppositionellen Jugendgruppe "Edelweiß-Piraten" betätigt zu haben."

Schon am 30. September hatte der Oberbannführer der Mülheimer HJ den Jungendlichen bei der Gestapo denunziert, dieser habe "sich in den Abendstunden in staatsfeindlicher Haltung auf der Strasse“ herumgetrieben und die Jugendlichen der Hitlerjugend beschimpft. Weiter heißt es in der Anzeige: "W. trägt in seiner Brusttasche einen Hirschfänger. Er äusserte sich der Hitler-Jugend gegenüber in unmöglicher Weise "die dreckigen Hunde der Hitler-Jugend sollen sich nur noch einmal hier blicken lassen, dann bekommen sie dieses Messer zu spüren."

Einen Tag nach dem Überfall, am 19. Oktober, wird Hans W. durch eine Anzeige eines HJ-Gefolgschaftsführers noch einmal stark belastet: "Der Jugendliche Hans W. gehört der Bünd. Jugend an und ist offensichtlich gegen die HJ eingestellt, dieses beweisen seine wüsten Drohungen, die er gegen die HJ äussert. Seiner Verhaftung im Volksgarten sowie am Rhein in K. Mülheim und Köln-Nippes ist er entgangen, er spielt Klampfe und singt Edelweisslieder. W. trägt einen Hirschfänger und hält den ganzen Betrieb in Mülheim aufrecht, er arbeitet offensichtlich in einem Auftrag."

Nach seiner Verhaftung gibt er folgendes zu Protokoll: "Ich gebe zu, mich im Laufe d. Sommers bis in den Spätherbst im Kreise sogenannter "Edelweisspiraten" in Köln-Mülheim am Rhein aufgehalten zu haben. Ich war auch im Besitze einer Klampfe, die ich mir geliehen hatte, auf der ich musiziert habe. Die von den dort anwesenden Jungen auf ihren Instrumenten gespielten Lieder habe ich ebenfalls mitgespielt. Hierbei handelt es sich auch um solche, in denen von Edelweisspiraten und Navajos die Rede ist. [...] Im übrigen wurde ich von den anderen Jungen zu meiner Teilnahme angehalten. Mir war bekannt, dass eine Betätigung im Sinne der Edelweisspiraten verboten ist und die Polizei dagegen einschritt. Wenn ich mich von dieser Gruppe fernhalten wollte, bezeichneten mich die anderen Jungen als Feigling. An die Folgen meiner Handlungsweise habe ich jedoch nicht nachgedacht und habe mich weiter in der Gruppe betätigt. Seit mehreren Wochen habe ich mich aber aus diesem Kreise ferngehalten. Irgendwelche Abzeichen habe ich nicht getragen."

In einer späteren Vernehmung vom 16. November 1943 gibt Hans W. zwar zu, dass er HJ-Angehörigen Schläge angedroht hat, weil diese ihn wiederholt ohne Grund angehalten hätten: "Wenn Ihr mich noch mal mitnehmen wollt, haue ich Euch den Balg voll", er will aber nicht mit dem Messer gedroht haben. Er habe den Hirschfänger ohne besonderen Zweck bei sich getragen. Zu seiner Entlastung führt er weiter aus, dass er an dem Abend des Überfalls zwar zunächst mit am Kino gewesen, aber nicht mit zum Kreishaus gegangen sei, weil ihn seine Eltern zu Hause festgehalten hätten, als er kurz etwas holen wollte.

Die Mutter von Hans W. stellte am 21. Dezember 1943 ein "Gesuch um Haftentlassung meines unschuldig in Untersuchungshaft befindlichen Sohnes Hans W.", in dem sie den guten Charakter ihres Sohnes hervorhob. Auch die Sachbearbeiterin des Jugendamts, die am 11. Januar 1944 über Hans W. einen Bericht verfasste, äußert sich positiv: "Johann macht keinen schlechten Eindruck. Er ist ein stiller, ruhiger Junge, der sehr höflich auftritt."

Im Gerichtsprozess vom 13. Januar 1944 wird Hans W. freigesprochen. Seine Tätigkeit sei harmlos gewesen. Er bekommt allerdings die Auflage, 3-5 Wochen an einem Wehrertüchtigungslager teilzunehmen. So wird der einzige Jugendliche aus dem Kreis der Mülheimer Edelweißpiraten mit einer höheren Schulbildung und aus einem "intakten Elternhaus" auch als einziger freigesprochen.



 
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