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Verfahren gegen Gestapobeamte wegen Misshandlung eingestellt

Josef Hoegen, der wohl berüchtigtste und brutalste Kölner Gestapobeamte um 1947

Am 29. Juni 1938 verfügt das Reichsjustizministerium in Berlin die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens, in dem Kölner Gestapobeamte beschuldigt wurden, den "Navajos" zugerechnete Jugendliche bei deren Verhören im Oktober 1937 bedroht und misshandelt zu haben.

Mitte Oktober 1937 hatte die Kölner Gestapo Jugendliche verhaftet und verhört, die der Mitgliedschaft in Navajogruppen beschuldigt wurden. Nach deren Vernehmungen fand am 21. Oktober 1937 eine großangelegte Razzia im Kölner Stadtgebiet statt, in deren Verlauf es zu zahlreichen weiteren Festnahmen kam. Ergebnis dieser Gestapoaktionen waren drei parallel Prozesse, die vom 14. bis 16. Dezember 1937 vor dem Kölner Sondergericht stattfanden.

Am 21. Dezember 1937 berichtete der für diese Fälle zuständige Düsseldorfer Oberstaatsanwalt an das Reichsjustizministerium, "es sei von mehrere Angeklagte in nichtöffentlicher Sitzung geltend gemacht worden, daß sie bei ihren Vernehmungen durch Beamte der Staatspolizeistelle Köln nicht unerheblich mißhandelt worden seien". Daraufhin forderte das Justizministerium die Düsseldorfer Behörde am 26. Januar 1938 auf, vor weiteren Ermittlungen gegen die Beamten "zunächst den Umfang der angeblichen Mißhandlungen näher festzustellen". Das geschah recht schnell, denn schon am 11. Februar 1938 wurde nach Berlin berichtet: Während der Hauptverhandlung habe der Kölner Rechtsanwalt B. als Vertreter mehrerer Angeklagter von den Misshandlungen berichtet und deren Vernehmung beantragt. Hierbei hätten sich folgende Anschuldigungen ergeben:

Franz D.: "Der Kriminalbeamte B. - Beamter der Staatspolizeistelle Köln - habe ihm bei der Vernehmung gesagt: 'Wenn Du jetzt nicht ja sagst, dann ...' B. habe ihm einen Stoß gegeben, daß er gegen die Wand geflogen sei. Er habe Angst gehabt, verprügelt zu werden."

Lamert P.: "Er sei bei der Vernehmung von einem Beamten der Staatspolizei-Stelle Köln bedroht worden, man werde ihn gegen die Wand werfen."

Theodor S.: "Er sei von den Kölner Staatspolizei-Beamten B. und Sch. vernommen worden. B. habe ihn mehrfach ins Gesicht geschlagen, während Sch. ihm an den Hals gesprungen sei."

Ernst S.: "Es sei ihm von einem Kölner Staatspolizei-Beamten bei der Vernehmung gesagt worden, wenn er nicht mehr sagen würde als die anderen, dann käme nachts der heilige Geist."

Hans R.: "Der Beamte der Staatspolizei-Stelle Köln Sch. habe ihm ins Gesicht geschlagen und mindestens 5 Minuten auf ihn eingeschlagen."

Jakob Sch.: "Nach der Vernehmung habe ihn der Beamte der Kölner Staatspolizei-Stelle Sch. gegen den Bauch getreten."

Rechtsanwalt B. habe in der Verhandlung zudem vorgetragen, dass noch weitere Angeklagte misshandelt worden seien, so der Oberstaatsanwalt, das Gericht habe jedoch von weiteren Vernehmungen zu diesem Punkt abgesehen. Es erscheine "somit nicht ausgeschlossen, daß bei einer etwaigen Aufnahme von Ermittlungen noch weitere Fälle von Mißhandlungen zur Sprache kommen" könnten. Auch auf die Vernehmung der beschuldigten Beamten Sch. und B. sei verzichtet worden, "da der Sitzungsvertreter, insbesondere mit Rücksicht auf die behaupteten Mißhandlungen", darauf verzichtet hätte.

Das offensichtliche Bestreben, die gesamte Angelegenheit "unter den Teppich zu kehren", wurde allem Anschein nach auch im Berliner Justizministerium geteilt. Hier hatte man nach Eingang des Düsseldorfer Berichts den für die Gestapo zuständig zeichnenden "Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei" eingeschaltet, der seinerseits die Kölner Beamten zu einer Stellungnahme aufgefordert hatte. Die fiel erwartungsgemäß eindeutig aus:

"Bei D. handelt es sich um Mitglieder der ‚Navajos', einer wilden bündischen Organisation. Alle sind verwilderte und asoziale Elemente. Durch zahlreiche Provokationen und Überfälle auf HJ, BdM und uniformierte Angehörige anderer Partei-Organisationen haben sie lange Zeit hindurch erhebliche Unruhe in die Bevölkerung getragen und ihrer staatsfeindlichen Einsteilung offen Ausdruck verliehen.
Am 19. Oktober 1937 [richtig: 21.] wurden die Genannten anläßlich einer Aktion festgenommen. Schon bei der Festnahme leisteten sie Widerstand und zeigten ein überaus freches Benehmen. Während der Vernehmungen verhielten sie sich den Beamten gegenüber äußerst renitent. Es trifft zu, daß die Festgenommenen energisch angefaßt worden sind. Dies war schon im Interesse der Staatsautorität unbedingt erforderlich. Keiner der Genannten ist jedoch körperlich gezüchtigt oder in der behaupteten Weise bedroht worden. Alle diesbezüglichen Behauptungen sind erlogen und zu einem erheblichen Teil auf das unverständliche Verhalten des Rechtsanwalts B. zurückzuführen. Zu bemerken ist noch, daß die Beschuldigten auch in der Hauptverhandlung dasselbe freche und herausfordernde Benehmen zur Schau trugen und dem Gericht zu ernsten Rügen Veranlassung gaben. Härtere Vernehmung hat in keinem Falle stattgefunden."

Das Reichsjustizministerium schließt sich dieser Darstellung an. "Da diesen dienstlichen Äußerungen der Beamten mehr Glauben beizumessen" sei als "den - offenbar verabredeten - Behauptungen der asozialen und durchweg zu Gefängnisstrafen verurteilten ‚Mißhandelten'", sei das Verfahren wegen Körperverletzung im Amt "mangels Beweises" einzustellen, "ohne daß es noch weiterer Ermittlungen bedarf".

Diese am 29. Juni 1938 erfolgte Weisung wird am 6. Juli des Jahres vom Düsseldorfer Oberstaatsanwalt weisungsgemäß an seinen Kölner Kollegen weitergegeben, womit das Verfahren beendet ist!



 
Gruppen
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Navajos (Appellhofplatz)
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Lexikon
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