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Urteile im Sondergerichtsverfahren gegen Kölner "Navajos"

Artikel aus dem "Westdeutschen Beobachter" vom 18. Dezember 1937

Vom 14. bis 16. Dezember 1937 finden vor dem Kölner Sondergericht zwei parallele Prozesse gegen Kölner "Navajos" statt.

In dem Prozess gegen Sch. und S. ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte Sch. wird zu drei Monaten Gefängnis, der Angeklagte S. zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Damit hat die Gestapo ihr formuliertes Anliegen durchgesetzt, schärfer gegen die Kölner Navajos vorzugehen.

Die zentrale Argumentationslinie der Urteilsbegründung liegt darin, den Kölner Navajos die Fortsetzung bündischer Jugend nachzuweisen. Hierzu führt das Gericht die Treffpunkte, Fahrten, Lieder und Erkennungszeichen der Navajos, sowie ihre ablehnende Haltung gegenüber der HJ als vermeintliche Beweise an.

Als Treffpunkte nennt das Gericht acht über das Kölner Stadtgebiet verstreute Orte, die in den Ermittlungen der Gestapo bekannt wurden (Volksgarten, Georgsplatz, Appellhofplatz, Grüngürtel, Kalker Park; Rhein am Tauzieher, Rhein Hängebrücke und Servasgasse).

Die Angehörigen dieser Treffs, die sich, in Anlehnung an einen mittelamerikanischen Indianerstamm, "Navajos" genannt hätten, hätten sich nicht nur zu regelmäßigen abendlichen Zusammenkünften getroffen, sondern auch Fahrten in die Umgegend von Köln, namentlich nach Rösrath (Haus Steeg, Ammerländchen) unternommen. Dort seien sich die Jugendlichen verschiedener Gruppen begegnet und hätten gemeinsam den Sonntag verbracht.

Es seien bei diesen Zusammenkünften - so das Sondergericht - Lieder der verbotenen Bündischen Jugend gesungen worden, u.a. das Lied von den "Nerother Bummlern", das "Platofflied", das "Navajolied", das Lied vom "Rübezahl" usw.

Zu den Erkennungszeichen der Navajos führt das Gericht Folgendes aus: Die Angehörigen der Gruppen hätten großenteils eine einheitliche Kleidung getragen, bestehend aus schwarzer Hose mit Reißverschluss und kariertem Hemd, eine Reihe von ihnen trug Armriemen, die mit einem Totenkopf geziert waren. Auch habe eine einheitliche Grußform bestanden, indem beim Händedruck die kleinen Finger ineinander verschlungen wurden. Diese Grußform und der Ausruf "Horrido" oder "Ahoi" war auch bei früheren bündischen Organisationen, von denen im Rheinland die Nerother führend gewesen waren, üblich gewesen. Außer der Bezeichnung Navajos sei auch die Bezeichnung Nerother gebräuchlich, der Trupp am Appellhofplatz habe zeitweise den Namen "Kanonen-Keller" getragen. Der später hinzugekommene Kalker Trupp sei scherzeshalber anstatt als Nerother von den anderen Gruppen als "Kalker Neurother" bezeichnet worden. Ein beliebtes Zeichen, das auch auf Kartengrüßen der Mitglieder untereinander verwandt wurde, sei die früher bei den Pfadfinderorganisationen als Symbol gebräuchliche Lilie gewesen.

Bei fast sämtlichen Angehörigen der Navajos habe sich darüber hinaus eine mehr oder weniger offene Ablehnung gegenüber der HJ gezeigt. Bezeichnend sei, dass der überwiegende Teil der Navajos früher der HJ angehört habe und entweder aus dieser ausgeschlossen sei oder ihren Austritt selbst erklärt habe. Der Gruß "Heil Hitler" sei verpönt gewesen und es sei auch zu einigen Zusammenstößen mit Angehörigen der HJ gekommen. Die Umdichtung von NS-Liedern wird als weiteres Indiz für die HJ-feindliche Haltung der Navajos angesehen.

Als konkrete Gründe für die Razzia vom 22. Oktober 1937 werden besonders die Aktivitäten der Navajos am Georgsplatz und der offene Zusammenstoß mit den Angehörigen des Verkehrserziehungsdienstes des NSKK am 12. Oktober 1937 auf der Hohestraße angeführt. Selbst nach den Verhaftungen einer Reihe von Personen hätten diese es nicht unterlassen können, "durch Singen bündischer Lieder ihre Verbundenheit zu bekunden".

Bei der Prüfung der Schuldfrage wird schließlich festgestellt, dass es sich auch dann um eine Fortsetzung der Bündischen Jugend und somit um eine verbotene Vereinigung handele, wenn die einzelnen Gruppen keine bestimmte Organisationsform gehabt hätten. Es reiche aus, dass sie sich "zusammengefunden hätten, um gemeinsam bestimmte Zwecke zu erreichen oder auch nur gemeinsam irgendetwas zu unternehmen." Es sei der "Gesamtcharakter und die gesamte Geisteshaltung zu berücksichtigen". Nach der Überzeugung des Gerichts seien sich die angeklagten Jugendlichen voll bewusst, dass sie "einer im Gegensatz zur Hitlerjugend stehenden Gruppe angehörten und daß ihr Treiben von der Staatsführung nicht gebilligt wurde."

Zum Schluss begründet das Gericht die Strafzumessung damit, dass es sich bei den Navajos "um eine undisziplinierte Gruppe handelt, die zur Plage für die Bevölkerung wurde, daß sie ferner ein Sammelbecken unzuverlässiger Elemente waren, die insbesondere sich gegen die Staatsjugend, den Deutschen Gruß und die staatliche Autorität wandten."

Das Sondergericht teilt schließlich offen mit, dass es sich bei der ausgesprochenen Haftstrafe, die sich lediglich auf eine indirekte Konstruktion staatsfeindlicher Aktivitäten stützt, um eine gezielte Abschreckungsmaßnahme handelt.

Im Prozess vom 14. Dezember 1937 gegen die sechs Jugendlichen, die am 26. Oktober 1937 verhaftet wurden, erlässt das Gericht folgendes Urteil: W. und T. werden wegen Mangels an Beweisen freigesprochen, R. zu einer Gefängnisstrafe von acht Wochen, S. zu sieben Wochen, sowie H. und S. zu je sechs Wochen Gefängnisstrafe verurteilt.

Ein Gnadengesuch R.s gegen die zweimonatige Haftstrafe wird am 17. Januar 1938 abgelehnt und R. als "einer der aktivsten Treiber" und "Führer" der Navajos bezeichnet: "Bei keinem der Verurteilten offenbarte sich wie bei Roeseler bündisches Gedankengut. [...] Bei der auch während der Gerichtsverhandlung zu beobachtenden herausfordernden Haltung der Navajos, die jeden Respekt vor den Gerichts- und Polizeibehörden vermissen ließ, bedeutet jede Milde eine Stärkung der Selbstsicherheit dieser Burschen, die sich bald in einem erneuten Auftreten der Gruppen bemerkbar machen würde."

Der "Westdeutsche Beobachter" berichtet: "Die Zusammenfassung der Jugend in anderen als den von Staat und Partei errichteten Organisationen ist bekanntlich verboten. Die wilde bündische Gruppe, der die Angeklagten angehörten, nannten sich 'Navajos'. Bezeichnend ist, daß einige der Angeklagten sich auch wegen anderer Straftaten bereits zu verantworten hatten und daß die Mehrzahl der Verurteilten entweder aus der HJ ausgeschlossen wurde oder ihr aus anderen Gründen nicht mehr angehört. Den Eltern mag diese Verhandlung als besondere Warnung dienen. Denn die Angeklagten entfernten sich unter nichtigen Vorwänden sehr häufig vom Elternhaus, um in mehr oder weniger einheitlicher Kleidung gemeinsame Fahrten zu unternehmen. Dabei trafen sie sich mitunter mit Mädchen im Walde. Gelegentlich blieben sich auch über Nacht aus. Bei strengerer Beaufsichtigung wären die Verurteilten wahrscheinlich vor einem Verstoß gegen die staatlichen Gesetze bewahrt geblieben."



 
Gruppen
Navajos (Köln-Kalk)
Navajos (Appellhofplatz)
Navajos (Georgsplatz)

Personen
Jakob S.

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Navajo