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Zwischenfälle bei der Winterhilfswerk-Sammlung

Ihrer ersten derartigen Bestandsaufnahme vom Oktober 1933 läßt die HJ-Gebietsführung Anfang Februar 1934 einen "2. Bericht betrifft: die rheinische Bewegung der katholischen Jugend" folgen, der genauso wie sein "Vorgänger" die angeblichen Gefahren skizziert, die der Entwicklung der Hitlerjugend durch die Aktivitäten von katholischer Seite drohten.

Es zeige sich, so hieß es etwa, "mit der zunehmenden Lebhaftigkeit der katholischen Aktion und der zunehmenden Heftigkeit des Kampfes auch eine zunehmende kirchenpolitische Spannung und - vor allen Dingen in weit auseinander gelegenen und schwer erreichbare Landkreisen - bereits eine völlige Stagnation der HJ-Bewegung, die im Endergebnis dazu führt, dass die HJ-Bewegung auf dem Lande bereits teilweise in die Defensive gedrängt worden ist, während die ‚Angriffsfreudigkeit' der katholischen Bewegung von Tag zu Tag" zunehme.

"Das geht soweit, dass sich gerade in den allergefährdesten Gebieten die katholische Jugend nicht scheut, bereits ganz offen den Boden der religiösen Betätigung zu verlassen und staatspolitisch zu mobilisieren. So musste am 22. November 1933 zu seinem Erstaunen der Führer einer HJ-Streife auf dem Gelände der Gemeinden Walheim und Rott feststellen, dass dort Angehörige des katholischen Schülerbundes ‚Neudeutschland' unter Führung des verantwortlichen ND-Führers Hermann Krings aus Aachen eine Geländeübung abhielten. Die Gruppen selbst besaßen eine Stärke von 120 - 150 Jungen. Auch waren sie mit vollständig feldmarschmäßigem Gepäck, das vorschriftsmäßig gepackt war, ausgerüstet."

Als am Sonntag, den 19. November 1933, so heißt es an anderer Stelle des Berichts, "durch die HJ das Winterhilfswerk durchgeführt wurde, glaubten die in Massen zusammengezogenen und uniformierten katholischen Verbände sich ganz besonders weit gehend zu Beschimpfungen der HJ in der Öffentlichkeit herbeilassen zu müssen." Nach dem Bericht eines HJ- Führers habe "sich die katholische Jugend in Stärken bis zu 1000 Mann formiert" und sei "teils aufgelöst und teils geschlossen" durch Köln marschiert. "Überall da, wo die HJ die Nagelschilder für das Winterhilfswerk aufgestellt hatte, kam es zu wüsten Anrempeleien durch die katholischen Verbände. Schon vormittags gegen 11:00 Uhr auf dem Heumarkt begannen diese Zwischenfälle, wo zwei Lastwagen die mit katholischer Jugend besetzt waren, fuhren. Als sie der HJ ansichtig wurden, begann ein wildes Gelächter, und einige Jungen riefen von dem Wagen: ‚Hitler-Jugend ist Mist!' Währenddessen grölten die übrigen im Sprechchor: ‚Neu-Deutschland steht so da!', wobei sie die von den Kommunisten her bekannte Faust machten. Es handelte sich dabei um von auswärts eigens zu Provokationszwecken nach Köln gekommene Scharen."

Der Bericht der HJ-Führung hebt mehrfach auf Provokationen ab, die seitens der katholischen Verbände und insbesondere der sie betreuenden Pfarrer zu beobachten seien. So wird von einem Vorfall berichtet, der sich am 19. November 1933 auf dem Kölner Barbarossaplatz abgespielt haben soll. "Dort hielt der Führer des Jungvolk-Fähnleins 421 ein Mitglied des Bundes Neudeutschland mit der Frage an: ‚Warum trägst du einen Schulterriemen?' Darauf erhielt er die klassische Antwort: ‚Um euch auf den A... zu hauen!'"

Der Bericht gibt auch ein Beispiel für Abwerbeversuche der katholischen Seite. Danach habe ein Pfadfinderführer im Bergischen Land einige Jungen, die dem Jungvolk beigetreten waren, über dessen Funktion "aufgeklärt" und schließlich gefragt, "was die Jungen denn als Katholiken überhaupt im Jungvolk zu suchen hätten, für sie wären doch die Pfadfinder da". "Darauf blieben drei Jungen, die sich schon [im Jungvolk] angemeldet hatten, am nächsten Tage wieder weg."

Die HJ-Leitung unterstellt bei allen Aktionen ein organisiertes Vorgehen. "Daraus, dass sich derartige Vorfälle immer wieder in den verschiedensten Gegenden ereignen", so hieß es, "muss geschlossen werden, dass der ganzen hinterlistigen Zersetzungsarbeit ein sorgfältig ausgebildete System zugrundeliegt."

Hierunter wird beispielsweise eine Aktion gezählt, die am 25. Oktober 1933 in Köln-Zollstock stattfand. Dort hatten Jugendliche im katholischen Jugendheim Hakenkreuze auf die Fenster gemalt, die, so heißt es im Bericht, "mit Stricken zum Aufhängen" versehen waren. Außerdem wurde beklagt, dass Pimpfe des Jungvolks von Mitgliedern katholischer Jugendgruppen etwa als "braune Idioten" oder "Scheißjungvolk" beschimpft würden.

Neben diesen Angriffen beklagte die HJ-Gebietsführung insbesondere die Verstöße der katholischen Verbände gegen die neuen gesetzlichen Bestimmungen: "Ist so schon deutlich zu erkennen, dass die katholische Aktion durch ihre Führer gegen die HJ arbeitet, indem sie zunächst versucht, die HJ und ihre Bewegung zu verspotten, zu verhöhnen und verächtlich zu machen, indem sie darüber hinaus die HJ überall da, wo sie es kann, in ihren Handlungen behindert, so wird die gehässige und kämpferische Einstellung besonders deutlich, wenn man die Fülle der Verstöße gegen Recht und Gesetz betrachtet, die sich die katholische Aktion fortwährend zu Schulden kommen lässt. Unbekümmert um bestehende Verbote, um die Zwietracht, die so ins Volk getragen wird, marschiert die katholische Aktion überall da, wo sie sich dauernd oder zeitweise zahlenmäßig überlegen glaubt, demonstrativ auf der Straße, um gegen den Staat und die HJ sich aufzulehnen."

Der Bericht gibt hierzu einige Beispiele. So sei einer von den St. Georgs-Pfadfindern am 29. Oktober 1933 veranstalteten Christkönigsfeier ein Aufmarsch durch die Straßen von Köln-Kalk vorausgegangenen. "An der Spitze wehten nicht etwa die Fahnen des neuen Deutschland [d.h. die Hakenkreuzfahne], sondern dass Christusbanner." Der Präses habe dann in seiner Ansprache, die er auf dem Platz vor der Kirche hielt, ausgeführt, "dass die katholische Jugend die Jugend sei, die das deutsche Volk rufe". Beendet habe der Priester seine Ansprache mit einem "Treu Heil!" auf die katholische Kirche.

Am bereits oben erwähnten Sonntag, den 19. November 1933, seien in Köln über den Hohenstaufenring große Mengen - teils uniformierter - katholischer Jugend marschiert - "alle mit dem PX-Abzeichen am Arm, viele trugen Schulterriemen. Einzelnen HJ-Streifen gelang es nicht, den Aufmarsch zu unterbinden."

Die HJ fühlt sich mehr und mehr provoziert und beleidigt. "Um allem die Krone aufzusetzen", so heißt es etwa an einer anderen Stelle des Berichts, gehe die "katholische Aktion" auch dazu über, "Kampflieder der NSDAP" umzudichten. Das Lied "Von allen SA-Kameraden..." etwa sei von einer "Schar katholischer Pfadfinder am 12. November 1933 in Köln-Humboldt zur Freude aller Umstehenden umgemodelt [worden] nach dem Text "Von allen Pfadfindern...".

Die HJ-Führer auf dem Lande und teilweise auch jene in den Großstädten würden sich angesichts des "zunehmenden Drucks der katholischen Aktion" mehr und mehr außer Stande sehen, so das bedrohliche Szenario, "auf die Dauer schwere und blutige Zusammenstöße zu vermeiden". "Die an der Front stehenden Einheiten der HJ müssen mit der geballten Faust in der Tasche sich das schamlos Treiben der katholischen Aktion gefallen lassen, ohne von ihrer überlegenen Kraft Gebrauch machen zu dürfen. Es ist selbstverständlich, dass ein derartiger Zustand für die Dauer unzuträglich für den wirtschaftlichen und politischen Frieden des Rheinlands sein muss, besonders dann, wenn der Kampf in die Kirche hineingetragen und von der Kirche getragen wird."

Hierzu liefert der Bericht weitere (angebliche) Beispiele: "Ende Januar 1934 wurde das HJ-Heim in Köln- Bickendorf in der Rochusstraße in vollkommen zerstörten Zustand vorgefunden. Unbekannte Täter waren in der Nacht eingedrungen und hatten sämtliche Münchener Ausweise und die ganze Kartei gestohlen." Von HJ-Seite werden nicht etwa Kommunisten als Täter vermutet, sondern eindeutig die katholische Aktion.

Und auch in diesem Zusammenhang geht die HJ-Gebietsführung nochmals auf den 19. November 1933 ein, der mit seiner offensichtlichen Demonstration der Stärke und Präsenz der katholischen Jugendverbände einen großen Eindruck hinterlassen hatte. Als die HJ "in großem Ausmaß für das Winterhilfswerk" sammelte, kam es offenbar zu großen Konflikten mit diesen Einheiten. Es sei "allenthalben zu schweren Angriffen der katholischen Verbände auf die HJ" gekommen, "deren Durchführung sich im ganzen rheinischen Gebiet gleichmäßig feststellen ließ. Die katholische Aktion scheute sich dabei nicht einmal, im inneren Stadtgebiet von Köln umfangreiche Aktionen durchzuführen. Hier hatten sich um die Mittagsstunde Tausende von Mitgliedern der katholischen Verbände in Gruppen versammelt und versuchten, durch andauernde Störungen das Winterhilfswerk unmöglich zu machen. In der Nähe des Friesenplatzes marschierten z. B. 3000 bis 4000 Mann der katholischen Jugend in Einzelreihe und Gänsemarsch im Gleichschritt über den Bürgersteig und zwar vor dem Wappenschildern, die zur Nagelung bestimmt waren, auf und ab. Die Reihen selbst waren so dicht geschlossen, dass es unmöglich war, die um diese Zeit auf dem Hohenzollernring sehr starke Menschenmenge auf die dort aufgestellten Schilder aufmerksam zu machen, weil diese vom Publikumsverkehr direkt isoliert wurden. Ähnliche Demonstrationen ereigneten sich an diesem Tage allenthalben in Köln. Fast zur gleichen Zeit fuhren rund sechs bis acht Lastwagen, die alle mit katholischer Jugend besetzt waren, über den Schlageterplatz. Sämtliche Wagen waren mit entrollten Fahnen versehen, und die darauf befindliche katholische Jugend trug natürlich Schulterreimen. Sobald einer dieser Wagen eine Nagelstelle passierte, setzte ein fürchterliches Gejohle ein, dass dazu bestimmt war, die Nagelung zu unterbinden und die zahlenmäßig schwachen Gruppen der HJ zu reizen, um dann einen Grund zu haben, sie dann niederschlagen zu können."

Die HJ-Gebietsführung konstatiert innerhalb der Organisation eine zunehmende Aggression gegenüber den katholischen Jugendgruppen, denen gezielte körperliche Angriffe auf natürlich stets "hilflose" Hitlerjungen angelastet werden. "Diese Erbitterung gegenüber der katholischen Aktion wird umso verständlicher, wenn man feststellen muss, das seit Mitte Oktober 1933 laufend Meldungen über heimtückische Angriffe und Überfälle [auf] einzelne Hitlerjungen oder Pimpfe bei der Gebietsführung einlaufen. Diese Meldungen gehen gleichmäßig verteilt aus dem ganzen Gebiet Mittelrhein ein und lassen erkennen, in welch unerhörter Weise mit geradezu kommunistischen Methoden die katholische Aktion gegen die ihr verhasste HJ und den Nationalsozialismus vorgeht. Fast möchte man glauben, dass in ganzen Teilen des Rheinlandes die Zeiten wiederkehren, die glücklich überwunden sind, und in denen Hitlerjungens in Uniform sich nicht allein auf die Straße trauen durften. "

Die Lage der HJ wird als überaus bedauernswert dargestellt: "Den Führern und Mitgliedern der HJ, des Jungvolks und des BDM wird Unerträgliches zugemutet und dies in einer Zeit, in der die HJ als Stationen im Interesse des nationalsozialistischen Staates mehr denn je den Anspruch auf Totalität machen muss. Stattdessen aber wächst der Druck auf die Einzelnen im Lande täglich in größerem Maße. Neben der Werbung für die angeblich durch das Konkordat geschützten Angriffe auf die Jugend seitens der katholischen Jugend gehen die Angriffe der Geistlichkeit, geht ein moralischer und wirtschaftlicher Boykott. " Und weiter: "Die Lage der HJ im ganzen westdeutschem Gebiet ist infolge der geschilderten Vorkommnisse heute so, dass die HJ überall in vollkommener Defensive steht. Führer und Mitgliedern drängen leidenschaftlich zum Angriff. Und dennoch kann dieser Angriff so lange nicht erfolgen, als die reichlich unklaren Konkordatsbestimmungen des Art. 31 nicht eine eindeutige Auslegung dahin erhalten, dass alle Verbände, die sich mit wehrsportlichen Dingen befassen, oder deren geistliche Erziehung nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie eine Erziehung im Sinne des Nationalsozialismus ist, nicht den Schutz des Art. 31 genießen.

Abschließend wiederholt die HJ-Gebietsführung ihre Warnung vom Oktober 1933: Wenn nicht bald den Anregungen des ersten Berichts ‚betr. Die rheinische Bewegung der katholischen Jugend' [von Oktober 1933], in dem ausgeführt wurde, dass baldigst die katholische Jugend auch auf dem Lande in der einen oder anderen Formen dem Gebietsführer eines besonders bedrohten Gebietes ordnungsmäßig unterstellt werden muss, stattgegeben wird, und wenn nicht bald mit allerschärfsten Machtmittel des Staates der katholischen Aktion entgegengetreten werden kann, so wird die Lage für den inneren Frieden und Aufbau der rheinischen Landesteile eine täglich gefährdetere."



 
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