Chronik 
Jugendkriminalität steigt dramatisch

Der statistische Überblick über die Entwicklung der Jugendkriminalität 1937-1943 verdeutlicht ihre rapide Zunahme in den Jahren 1942 und 1943. Die Zahl der verurteilten Jugendlichen stieg reichsweit von 24.562 (1937) über 52.426 (1942) auf 58.802 (1943) um 139 Prozent, während die Gesamtkriminalität im gleichen Zeitraum um 20 Prozent gesunken ist. Diese Zahlen sind um so gravierender, wenn man bedenkt, dass die kriminalitätsaktivsten Jahrgänge der 16-bis 18jährigen männlichen Jugendlichen in die militärischen Organisationen aufgenommen werden und damit aus der Reichskriminalstatistik entfallen.

Auch im Landgerichtsbezirk Köln steigt die Zahl der verurteilten Jugendlichen kontinuierlich im Zeitraum 1941 bis 1943. Im Jahr 1941 werden insgesamt 484 Jugendliche verurteilt, 622 Jugendliche im Jahr 1942 und 715 im Jahr 1943. Bei den verhängten Haft- und Arreststrafen wird die leichtere Form des Jugendarrests wesentlich häufiger ausgesprochen als die des Jugendgefängnisses:

1941 1942 1943

Jugendgefängnis 74 101 69
Jugendarrest 345 431 536

Besonders stark hat die Kriminalität bei den verschiedenen Eigentumsdelikten zugenommen: Diebstahlshandlungen machen zwei Drittel, Diebstahl, Hehlerei, Betrug und Unterschlagung zusammengenommen drei Viertel aller Verurteilungen aus. Auch die Vergehen gegen die Arbeitsdisziplin sind angestiegen (38,5% der nicht nach dem StGB verurteilten Strafsachen), während die "Sittlichkeitsdelikte" leicht zurückgegangen sind.

In diesem Zusammenhang ist eine Übersicht über die Verurteilungen der Sondergerichte Köln für die Jahre 1942 und 1943 interessant. Sie zeigt, dass die Zahl der vom Sondergericht verhängten Jugendgefängnisstrafen von 9 (1942) auf 24 (1943) hochgeschnellt ist. Während Jugendarrest nicht verhängt wurde, sprach das Sondergericht 1942 ein Todesurteil und 2 Zuchthausstrafen aus. Mit Arbeitsvertragsbrüchen und "Sittlichkeitsdelikten" war das Sondergericht nicht befasst; verhandelt wurden dagegen 19 Eigentumsdelikte (1942: 2; 1943: 14) und volksschädl. VerOrtg. 13 (1942: 5; 1943: 8)

In der ganz überwiegenden Mehrheit der Statistiken und Denkschriften zur Jugendkriminalität finden die politischen Jugendstraftaten anders als etwa noch 1941 keine Erwähnung mehr. Bei erheblich gesteigerter Kriminalitätsrate und beträchtlich erhöhtem Oppositionspotential könnte es als "Hochverrat" gewertet werden, dergleichen Tendenzen zu veröffentlichen. Dies könnte auch ein Grund dafür sein, dass das Kölner Jugendgericht die Bedeutung des "Cliquenwesens" in einem Bericht an das Reichsjustizministerium als zweitrangig bewertet.



 
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