Chronik 
Der Kölner Oberstaatsanwalt berichtet über die Entwicklung der Jugendkriminalität im Jahr 1942

Der Bericht unterscheidet zwischen Verwahrlosung und Kriminalität und registriert in beiden Bereichen Steigerungen, die - so die Analyse - angesichts der Zeitumstände als normal gelten können. "Die Zahl der im Jahre 1942 im Jugenddezernat angefallenen Jugendsachen befand sich gegenüber dem Vorjahre in einer steten Aufwärtsentwicklung. Und zwar ist sowohl die Kriminalitäts- als auch die Verwahrlosungskurve in aufsteigender Linie. (...) Aber auch die Steigerung der jugendtypischen Verwahrlosungskurve, die fraglos durch die Kriegsumstände bedingt ist - Vater im Felde, Mutter im Kriegseinsatz - kann noch nicht als anormal bezeichnet werden."

Allerdings, so der Oberstaatsanwalt weiter, begünstige der Krieg auch schwerwiegende Formen von Jugendkriminalität: "So haben namentlich die Verdunkelungsdiebstähle, Raubüberfälle und Feldpostdiebstähle jugendlicher Postfacharbeiter in einer Weise zugenommen, daß von einer erheblichen Steigerung der schwersten Jugendkriminalität gesprochen werden muß." Das Alter straffällig gewordener Jugendlicher sei gleichzeitig auf durchschnittlich 15 bis 16 Jahre gesunken.

Von 25 Jugendlichen, die 1942 vor dem Sondergericht angeklagt wurden, werden 3 "als jugendliche Schwerverbrecher" hingerichtet. "Die übrigen erhielten durchweg langjährige Jugendgefängnisstrafen."

Probleme sieht der Berichterstatter bei der Beurteilung von Reifegrad und Besserungsfähigkeit angeklagter Jugendlicher, die durch psychiatrische Gutachten gelöst werden sollen: Es sei häufig "ungewöhnlich schwer", bereits zu einem "abgerundeten Bilde der erreichten geistigen und sittlichen Reife des Jugendlichen zu kommen und demgemäß seine Prognose für die Zukunft zu stellen". Dabei dürfe nicht verkannt werden, "daß jeder Krieg, auch wenn das in den Krieg verwickelte Volk sich einer so guten Führung erfreuen darf wie das deutsche, eine gewisse moralische Auflockerung mit sich bringt und daß insbesondere der Jugendliche hiervon besonders gefährdet" werde. Es könne daher in vielen Fällen nicht eindeutig gesagt werden, ob bereits in diesem Lebensalter eine "besonders verwerfliche Gesinnung" Tatursache gewesen sei.



 
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