Das Jugendgericht Köln berichtet dem Reichsjustizminister über die Entwicklung der Jugendkriminalität im Bezirk des Landgerichts Köln für die Jahre 1941-1943. Ein Unterthema des Berichts ist die erstarkte "Edelweißpiratenbewegung ... nach den Terrorangriffen im Jahre 1943" und die Verfolgung unangepasster Jugendlicher:
"Bei der Bekämpfung des oppositionellen Cliquenwesens ist davon ausgegangen worden, daß neuartige Erscheinungsformen gegebenenfalls auch eine andersartige Behandlung angezeigt sein lasse. In Fällen reiner Cliquenbildung (mit Treffs, Liedersingen, evtl. Abzeichentragen), die sich noch nicht zu einer Cliquenbetätigung (mit Fahrten, HJ-feindlichen Handlungen und kriminellen Taten) gesteigert haben, hat sich die Einweisung in das Jugenddienstlager der Hitler-Jugend "Burg Stahleck" besonders bewährt. Die bisher seit dem 1.1.1944 eingewiesenen ca. 25 Jungens wurden mit besten Führungszeugnissen, zum Teil vorzeitig, entlassen und bewiesen Einsatzfreudigkeit, Disziplin und Kameradschaft. Diese Lagereinweisung reichte bisher in allen diesen Fällen aus, die Jugendlichen von ihrem früheren Treiben Abstand gewinnen zu lassen, sodaß das Verfahren gemäß § 31 RJGG eingestellt werden konnte, sofern die Einweisung nicht ausnahmsweise durch Urteil erfolgt war. In leichteren Fällen von unselbstständigen Mitläufern reichte sogar stärkere Heranziehung zum HJ-Dienst und ähnliches aus. Fälle einer reinen politisch-oppositionellen Cliquenbetätigung waren ausserordentlich selten und führten ausnahmslos zu Jugendgefängnisverurteilungen. Nur in diesen Fällen würde wahrscheinlich eine Einweisung in ein Bewährungslager in Betracht gekommen sein. Die übrigen Fälle der Cliquenbetätigung beschränkten sich im wesentlichen auf Arbeitsvertragsbrüche und kriminelle Handlungen, darunter vor allem Diebstähle und Einbrüche, oder sie waren mit allgemeiner Verwahrlosung gekoppelt. Die Erfahrung hat immer wieder bestätigt, daß im allgemeinen das Schwergewicht auf der Seite des Arbeitsvertragsbruches oder der sonstigen strafbaren Handlung zu suchen ist und daß der Jugendliche sich der oppositionellen Jugendgruppe angeschlossen hat, weil er bummelte, nicht aber, daß er ans Bummeln geriet, weil er durch die Cliquenbeteiligung hierzu veranlaßt wurde. Es erwies sich daher als richtiger, der oppositionellen Cliquenbetätigung gegenüber der sonstigen strafbaren Handlung nur eine zweitrangige Bedeutung beizumessen."
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