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Navajos (Appellhofplatz)

Kölner Navajos um 1937

Nach Angaben der Jugendlichen Margarethe L., die im September 1937 von der Gestapo verhört wird, ist der Appellhofplatz ein Treffpunkt Kölner „Navajos“. Die Gruppe sei im Frühjahr 1937 von August L. gegründet worden: "Ich weiß, dass L. Karneval dieses Jahres zu den einzelnen Jugendlichen hingegangen ist und die Parole ausgab sich regelmäßig am Appellhofplatz zu treffen." Die Gruppe nenne sich "Eiserne Schar".

L. selbst gibt zu Protokoll, dass die Gruppe am Appellhofplatz eine "Nachfolgeorganisation" der älteren Gruppe "Unter Krahnenbäumen" sei.

Ausführlicher äußert sich Hans R. in seiner Vernehmung vor der Kölner Gestapo am 27. Oktober 1937 zur Gruppe am Appellhofplatz. Er berichtet, dass die eigentlichen Impulse zur Gruppenbildung zunächst aus der katholischen Jugend gekommen seien: "Von Jugend auf verkehrte ich am Appellhofplatz. [...] Anfang vergangenen Jahres fanden sich bei uns am Appellhofplatz Burschen aus der kath. Pfarrjugend ein. Von da ab wurden die abendlichen Zusammenkünfte am Platz immer umfangreicher. Es wurden Gespräche geführt und Lieder gesungen. Es wurden Lieder aus der katholischen Pfarrjugend gesungen zu denen noch ältere Fahrtenlieder der früheren Bündischen Jugend kamen. Die Angehörigen der Pfarrjugend brachten uns die Lieder mit und wir lernten sie, um mitsingen zu können. Führer der Pfarrjugend war Hans D., jetzt bei der Wehrmacht, sowie ein Peter M., Adresse unbekannt. Durch die Pfarrjugend wurde auch die Klampfenbegleitung aufgebracht. St. und ich schafften uns dann auch je eine Klampfe an." R. antwortet auf Befragen, dass die Pfarrjugend offen gegen die HJ eingestellt gewesen sei. Ende 1936 habe dann die Pfarrjugend nicht mehr bei den Jugendlichen vom Appellhofplatz verkehrt.

Seit Sommer 1936 machen die Jugendlichen vom Appellhofplatz nach Auskunft R.s regelmäßige Fahrten zum Haus Steeg bei Rösrath. Sie fahren vom Appellhofplatz meist zu vier Personen ab und treffen unterwegs auf andere Gruppen wie die Mitglieder des „Kanonenkellers“, denen sie sich angeschlossen hätten. In diesen Gruppen seien viele ehemalige Ringpfadfinder, die aus ihren früheren Erlebnissen erzählen würden. So auch R. selbst. Bei diesen Fahrten singe man Lieder, die z.T. von der früheren Bündischen Jugend, den Nerothern und Kittelbachpiraten stammen.

Von der Gruppe des sog. „Kanonen-Kellers“ sei der eigentliche Fahrtenbetrieb und die Anregung zu der gemeinsamen Kluft ausgegangen. Auch der Gruß "Ahoi" und der Händedruck seien von ihr übernommen worden. Die Gruppe vom Appellhofplatz sei aber auch bei den anderen Gruppen am Rhein, Volksgarten usw. bekannt. Von diesen Gruppen sei auch schon einmal ein gewisser "Sepp" zu ihnen gekommen, der sie aufforderte, Fahrten mitzumachen oder sich im Ammerländchen zu treffen. Dieser „Sepp“ sei etwa 25 Jahre alt und trage Parteiabzeichen. Über ihn sei das Gerücht verbreitet worden, dass er ein Päderast sei. Dies kann S. vor seinem Erfahrungshintergrund aber nicht bestätigen.

Die Jugendlichen vom Appellhofplatz haben sich keine besondere Bezeichnung zugelegt: "Wann und wieso der Name "Navajo" für alle Gruppen aufgekommen ist, kann ich nicht angeben. Ich nehme an, dass er von einem Liede ausgeht, dass sich "Der Navajo" nennt. Soweit ich mich erinnere ist das Lied schon recht alt und wurde bereits bei den früheren Pfadfindern gesungen."

Wichtiger ist die Aussage von R., dass die Jungen, "teilweise aus der HJ ausgeschlossen oder ausgeschieden waren etwas anderes suchten und einen Kreis Jugendlicher bildeten, der sich mit Gesang und Fahrten befasste. Hierbei blieb es nicht aus, dass früheres bündisches Gut mit verwertet wurde. [...] Die Einstellung zur HJ war wie ich bereits angab, keine positive."

Nach Aussage von Josef St. vor der Kölner Gestapo am 19. Oktober 1937 treffe sich am Appellhofplatz "schon seit längerer Zeit eine Anzahl von Jugendlichen", die jedoch "nie die bekannte Kluft der sog. 'Navajos' getragen" hätten. "Meist waren es Jungen, die in der Nähe des Appellhofplatzes wohnten oder dort gewohnt hatten." Von anderen Treffpunkten der "Navajos" in Köln kämen nur selten Jugendliche zum Appellhofplatz, während Gruppenmitglieder vom Appellhofplatz durchaus andere Plätze aufsuchen würden. Hinsichtlich der "Kluft" muss St. im Verlauf der Vernehmung allerdings einräumen, dass lediglich die "bunten Hemden" am Appellhofplatz nicht einheitlich getragen worden seien, während deren übrigen Bestandteile durchaus gebräuchlich seien. Auch er trage auf Fahrt "kurze Hose und Stiefel mit übergelegten Strümpfen und blaue Skimütze". Allerdings bestreitet er, "durch diese Aufmachung irgendwie einen bündischen Zusammenhalt zeigen zu wollen". Er besitze auch eine "Klampfe", die er auf die Ausflüge mitnehme, habe aber hierauf - so der wohl verhörbedingte Zusatz - noch nie "irgendwelche Lieder begleitet", die von der Bündischen Jugend handeln.

"Über den Zweck der Zusammenkünfte befragt", erklärt St. weiter, "dass diese lediglich der Unterhaltung dienten. Auch wurden Lieder gesungen. Es handelte sich meist um Fahrtenlieder und Schlager." Textveränderungen seien von der Gruppe Appellhofplatz nicht vorgenommen und auch keine von anderen veränderten Lieder gesungen worden.

Die Gruppe sei "verschiedentlich" auf Fahrt gewesen, wobei der Vorschlag für solche Unternehmungen "immer allgemein gemacht" worden sei. "Es war keiner in unserem Kreise, der Anordnungen gab." Der Zweck der "allsonntäglichen" Ausflüge sei schlicht die Erholung und Wandern, wobei stets Rösrath und Haus Steeg ausgewählt werden, weil "diese Orte am bequemsten für Radfahrer zu erreichen" seien - und nicht etwa, weil sich dort "auch andere Gruppen in der bekannten Kleidung zusammenfanden". Es treffe auch nicht zu, "dass wir mit den anderen dort verkehrenden Gruppen immer freundschaftlich zusammen waren" - im Gegenteil: oft sei es auch "zu Meinungsverschiedenheiten und Schlägereien gekommen.

Von einer einheitlichen Führung der einzelnen Kölner Jugendgruppen, so St. auf die entsprechende Frage des verhörenden Beamten Sch., sei ihm nichts bekannt. "Jedenfalls trifft es für die Gruppe, in der ich mich befinde, nicht zu. Ebenso wenig wie die Fahrten von den einzelnen Führern vorgeschrieben werden, wurde die einheitliche Kluft vorgeschrieben. Einer macht es dem anderen nach." Die Kluft habe seines Wissens auch nicht den Zweck, "um von der HJ abzustechen oder zur Clique der Navajos gehörig zu erscheinen". Er könne lediglich zugeben, dass bei Fahrten "hier und da schon einmal von der Bündischen Jugend oder den früheren Pfadfindern gesprochen" worden sei. "Einzelne, die einer solchen Organisation angehört hatten, erzählten dann ihre früheren Erlebnisse", ohne dabei jedoch die Auflösung der Bünde bedauert oder gar ihren illegalen Wiederaufbau angeregt zu haben.

Hinsichtlich des Grußverhaltens der "Navajos" räumt St. zwar ein, dass ihm die Grußformeln "Horrido" und Ahoi" bekannt seien, die Mitglieder der "Clique" diese jedoch nicht verwendet haben. Die Appellhofplatz-Gruppe, so St. "trotz eindringlichen Vorhalts" am Ende seines Verhörs, habe "keinerlei bündischen Charakter", sei nicht "HJ-feindlich" eingestellt und praktiziere keine besonderen Grußformen.



 

14. September 1937: Verhaftung eines Kölner Navajos und Konstruktion des Hochverrats: Ein Fallbeispiel
26. Oktober 1937: Weitere Verhaftungen und Durchsuchungen Kölner Navajos
16. Dezember 1937: Urteile im Sondergerichtsverfahren gegen Kölner "Navajos"
29. Juni 1938: Verfahren gegen Gestapobeamte wegen Misshandlung eingestellt

Personen
August L.
Hans R.

Topografie
Treffpunkt: Köln, Appellhofplatz
Ausflugsziel: Rösrath, Strandbad "Ammerland"

Lieder
Die Goldene Horde
Graue Kolonnen ziehen in der Sonn
Hab Sehnsucht nach den blauen Bergen
Nerother Bummler
Lied der Koltschaksoldaten
Träumend denken wir im Sattel

Lexikon
Hitlerjugend (HJ)
Bund deutscher Ringpfadfinder
Gestapo
Navajo