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Kölner Nerother auf Fahrt verhaftet

Kölner "Navajos" um 1937

Auf ihrer Fahrt von Köln nach Leichlingen werden die drei Kölner Jugendlichen Hans W., Maria Sch. und Elisabeth P., "die ihrer Kleidung nach zu urteilen einer bündischen Gruppe angehören", von einem HJ-Streifenführer angehalten und zur Ortspolizei Opladen gebracht.

Sie sind - wie aus den polizeilichen Vernehmungen hervorgeht - mittags um 12 Uhr aus Köln mit Fahrrädern losgefahren, kommen gegen 14.30 in Leichlingen an, stellen ihre Räder in einer Garage unter und gehen zu Fuß zu einer Wirtschaft. Dort tauschen sich die drei Jugendlichen über ihre bisherigen Wanderfahrten aus und spielen Billard. Vermutlich werden sie auf dem Weg zurück zu ihren Fahrrädern von der HJ-Streife angehalten, als Maria Sch. vor der Polizeiwache in Opladen das Lied von den Nerother Bummlern anstimmt. So steht es zumindest in der Anzeige des HJ-Kameradschaftsführers.

Der 19jährige Hans W. trägt eine kurze schwarze Hose mit Reißverschluss, Sporthemd mit rot-buntem Halstuch, ND-Koppelschloss und Koppel mit eingekratztem Namen "Bobby" und auf der Innenseite einem Totenkopf, den er selbst als KP-Abzeichen bezeichnet. Im Brotbeutel führt er eine Kletterweste mit blanken Knöpfen und Achselstücken. Ferner hat W. eine Gitarre dabei. Die 15jährige Elisabeth P. hat sich einen Seppelhut des W., der nach Pfadfinderart eine silbergrauer Halsschlaufe besaß, über die Schultern gehängt. Sie ist außerdem mit einem schwarzen Samtrock mit Reißverschluss, einem bunten Schottenhemd und einem roten Halstuch bekleidet. Die 16jährige Maria Sch. hat einen dunkel-karierten Rock an. Sie trägt ferner ein buntes Schottenhemd mit blanken Knöpfen und Achselstücken sowie ein buntes Halstuch.

Die Hilfsarbeiterin Maria Sch. gibt zu Protokoll, dass sie von dem Verbot des Wanderns in bündischer Tracht zwar wisse, dass sie aber trotzdem zuvor zwei Fahrten mit "Fahrtenbrüdern" unternommen habe (nach Solingen in das Erziehungsheim und nach Rösrath). Außerdem gibt sie zu, dass Nerother Bummellied gesungen zu haben. Der Kriminalassistent kommentiert: "Es ist ihr bekannt, dass die bündische Aufmachung verboten ist. Trotzdem hat sie an den Fahrten teilgenommen, weil ihr das freie Leben besser gefalle als beim BDM." Auch die Arbeiterin Elisabeth P. teilt mit, dass sie mit ihrer Freundin bereits zuvor Fahrten (nach Rösrath, ins Ammerländchen) unternommen habe. Von der Ortspolizei auf ihre "bündischen Aktivitäten" befragt, beteuert sie aber, dass sie dem Nerother-Bund nicht angehöre: "Mir ist an unserer Straßenecke [Vondelstraße] erzählt worden, daß der Nerother-Bund aufgelöst sei. Ich weiß wohl, daß an unserer Straßenecke sich Mädchen und Jungen treffen und Sonntags auf Wanderfahrt gehen." Sie selbst habe abends auch schon an der Straßenecke gestanden und Lieder mitgesungen, sich aber nicht bündisch betätigt. W. führt aus, dass er seine Koppel von einem Arbeitskameraden erhalten habe. Dieser habe ihm auch mitgeteilt, dass es sich bei dem Totenkopf um ein KP-Zeichen handele. W. gibt ebenfalls zu, dass er bereits mehrere Fahrten, u.a. nach Solingen unternommen habe. Darüber hinaus macht er keinerlei Angaben zu einer etwaigen "bündischen Betätigung".

Nach diesem ersten Verhör werden die Jugendlichen nach Hause entlassen. Jedoch meldet der Opladener Kriminalkommissar der Gestapo Köln am 30. August 1937, dass es sich bei den Beschuldigten ohne Frage um Mitglieder bzw. Anhänger irgend einer Bündischen Jugendorganisation, vermutlich "Neroter" [!]. handele. Dies gehe aus der von ihnen getragenen Kluft (Karierte Hemden mit Achselstücken, Halstüchern pp.) hervor. Daraufhin schaltet sich die Gestapo ein und verhört die Jugendlichen im Dezember 1937 ein zweites Mal. Diese Verhöre sind im Vorfeld der Beweisaufnahme für ein Verfahren vor dem Sondergericht Köln angesiedelt und werden vermutlich schärfer geführt. Zumindest geben die Jugendlichen nun wesentlich mehr Details über ihre früheren Aktivitäten in Navajokreisen zu Protokoll.

So teilt W. mit, dass er im Juni 1937 einmal mit Navajos auf Fahrt gegangen sei. Man habe sich mit Ahoi begrüßt und das Lied "Hohe Tannen" gesungen, wobei die letzte Strophe umgedichtet worden sei. Er habe über den Jugendlichen Jakob Sch. Kontakt zu den Navajos bekommen, sei aber nur einmal mit ihnen unterwegs gewesen und habe auch ansonsten keinen Kontakt zu ihnen. Wie W. berichtet nun auch Elisabeth P. wesentlich detaillierter über ihre früheren Fahrten (ins Ammerländchen) und ihre Kontakte zu einer Jugendgruppe, die sich in der Nähe der Hohenzollernbrücke traf. Diese Gruppe habe diverse bündische Lieder gesungen, darunter das umgedichtete Lied "Hohe Tannen" Sie bestreitet jedoch, dass es sich bei der Gruppe am Rheinufer um Navajos gehandelt habe und dass diese sich mit anderen "bündischen Bestrebungen" befasst hätten. Die umfangreichsten Auskünfte leistet Maria Sch. bei ihrer zweiten Vernehmung. Sie berichtet detailliert über eine Navajogruppe an der Kölner Universität, der sie angehörte, die Zusammenstöße der Gruppe mit der HJ und ihre umgedichteten Lieder der "Nerother Bummler" und "Wir traben in die Weite." Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass das Protokoll eher den Vermutungen der Gestapobeamten als den originären Gedanken der Maria Sch. entspricht.

Aufgrund dieser Aussagen erhebt der Oberstaatsanwalt am 25. Januar 1938 Anklage gegen Hans W. wegen verbotener bündischer Betätigung Jugend, er wird aber am 7. Februar 1938 von dem Sondergericht Köln wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Er habe weder bündische Lieder gesungen noch ähnele seine Kleidung der Kluft der Navajos. Gegen die beiden jungen Frauen wird das Verfahren mit Zustimmung des Jugendrichters und nach positiven Begutachtungen durch das Jugendamt ebenfalls im Februar 1938 eingestellt ohne dass es zu einer Gerichtsverhandlung gekommen wäre.



 
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