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Singkreis

Der Kreis traf sich in den Jahren 1936/37 regelmäßig dienstags im Haus Trierer Straße 20 in der Wohnung von Hermann H. Hierbei handelte es sich, so die Aussage von Anton Sch. im Dezember 1937 vor der Gestapo, um eine Gruppe, die sich unter der Führung seines Bruders Hermann zusammengefunden hätte. Man unternehme an Wochenenden gemeinsame Fahrten und komme in der Woche zu Singabenden zusammen. "Die Abende würden abwechselnd einmal bei diesem Mitglied, mal bei dem anderen abgehalten", wobei laut weiterer Aussagen die Trierer Straße 20 aber offenbar den Haupttreffpunkt darstellte.


Hermann Sch. selbst stellte den "Singkreis" vor der Gestapo im Dezember 1937 so dar: Vor gut zwei Jahren sei Hermann H. in die Pfarrei zugezogen und zu seiner Gruppe bei den St. Georgs-Pfadfindern gestoßen. "Durch ihn lernte ich einen sogenannten Singkreis kennen. Es war dies eine Gruppe von Jugendlichen um H., die sich mit Gesang (Klampfen) und Fahrten befasste. Vor etwa 2 Jahren hatte die Gruppe eine Stärke von etwa 12 Personen." Er habe sich, so Sch. weiter, der Gruppe angeschlossen und an den Zusammenkünften, die regelmäßig dienstags in der Wohnung bei H. stattfanden, teilgenommen. Daneben habe man mit Gruppen von zwei bis zehn Personen auch Fahrten nach Romaney bei Bergisch Gladbach und durch den Königsforst unternommen. "Hierbei wurden Fahrtenlieder gesungen und Spiele getrieben." Einen Führer des "Singkreises" habe es nicht gegeben, auch seien keine Beiträge erhoben worden. Allerdings musste Sch. ein kluftmäßiges Auftreten einräumen, indem er ausführte, auf Fahrt habe man "kurze Hose und buntes Skihemd" getragen. Solche Fahrten seien bis Anfang August 1937 durchgeführt worden, wobei die "kluftähnliche Aufmachung" jedoch nicht einer einheitlichen Erscheinung, sondern schlicht aus Gründen der Bequemlichkeit getragen worden sei.

Gleichzeitig gab Sch. Hinweise darauf, dass es zwischen verschiedenen Wander- und Fahrtengruppen durchaus Überschneidungen und Verbindungen gab. Mitglieder des "Singkreises" hätten "auch schon einmal Fahrten für sich und mit anderen Jugendlichen", die er nicht kenne, unternommen. Es sei möglich, dass solche Fahrten nach Rösrath und zum "Haus Steeg" geführt hätten.

Während der Fahrten wurden, so die Aussage von Hermann Sch., u.a. die Lieder "Durch die Wellen braust ein Kiel" und "Platoff preisen wir den Helden" sowie jene aus dem von ihm gedruckten Liederbuch gesungen. "Inwieweit es sich um verbotenes bündisches Liedgut handelt, weiss ich nicht genau, da mir nicht bekannt war, welche der einzelnen Lieder nun als tatsächliches bündisches Liedgut zu bezeichnen waren." Er, Sch., habe sich schließlich zur Gewährleistung eines "einheitlichen Gesangs" entschlossen, mittels der Möglichkeiten, die ihm seine Beschäftigung in der Druckerei bot, "eine Zusammenstellung der bevorzugten Lieder vorzunehmen". Ende 1936 habe er mit dem Druck einzelner Seiten begonnen und das Liederbuch dann im Juli 1937 einschließlich Einband in 26 Exemplaren fertiggestellt und kostenlos an die Mitglieder des "Singkreises" verteilt. Auf nähere Befragung hin erklärte Sch., "dass im Sommer dieses Jahres eine Anzahl von 26 Personen tatsächlich am Singkreis interessiert war oder als Mitglied ihm angehörte. Alle unternahmen Fahrten, aber nie in einer Gruppe über 12 Personen."

Befragt zu den "Grußformen" des "Singkreises", erklärte Hermann Sch., "dass die Tageszeit oder 'Heil euch' gesagt wurde". Weder "Ahoi" oder "Horrido" noch der "Deutsche Gruß" seien von den Gruppenmitgliedern gebraucht worden. Es gab nach Angaben von Hermann Sch. auch kein Abzeichen des "Singkreises". Das auf dem Liederheft abgedruckte "S" im Kreis habe er sich ausschließlich für dieses Büchlein ausgedacht. "Der Fingergruss der Pfadfinder ist im Singkreis nicht angewendet worden."

Bei Fahrten, so der Befragte weiter, habe zwar "ein gewisses Konkurrenzgefühl" gegenüber der HJ geherrscht, doch sei das keineswegs "Feindschaft" gewesen. Im letzten Jahr sei es auch zu keinen Konflikten untereinander gekommen, wenn auch seitens der HJ - hier wahrscheinlich durch den HJ-Streifendienst - "schon einmal Bemerkungen über unser Äußeres" gemacht worden seien. "Auf Befragen" erklärte Sch. weiter, dass ihm und den übrigen Mitgliedern des "Singkreises" zwar das Verbot bündischer Betätigung bekannt gewesen sei, doch habe man die eigenen Touren eben "nicht als ausgesprochene bündische Fahrten" interpretiert. Hierbei blieb er auch dann, als ihm von dem Vernehmungsbeamten vorgehalten wurde, dass ihm "das wiederholte Einschreiten der Polizei gegen ähnlich gekleidete Gruppen bekannt" gewesen sei. Er sei davon ausgegangen, "dass sich die polizeilichen Massnahmen und Verbote nur auf die Mitglieder der sog. 'Navajos' bezogen", zu denen sich der "Singkreis" aber nicht zähle. Ob allerdings Gruppenmitglieder auch gemeinsam mit "Navajos" Fahrten unternehmen würden, entzöge sich seiner Kenntnis.

Der Singkreis habe auch keinerlei Bindungen an konfessionelle Gruppen; lediglich er selbst und Hermann H. - damit aber immerhin die beiden offenbar führenden Köpfe der Gruppe - sowie Josef D. und Martin M. würden noch einem katholischen Bund, nämlich den St. Georgspfadfindern angehören.

Zum Ende des Verhörs stellte Hermann Sch. hinsichtlich der "Zweckbestimmung und dem Geist des 'Singkreises'" zusammenfassend klar, dass diese Gründung 1936 "zum Zwecke gemeinsamer Fahrten und gemeinsamen Gesanges" erfolgte. "Die Gründung hat nicht den Sinn, eine der HJ gegnerische oder abträgliche Jugendgruppe zu schaffen." Der Zusammenhalt sei ohnehin seit etwa zwei Monaten "gelockert", und er nehme nicht an, "dass die Absicht bestand, den Singkreis weiter aufrecht zu erhalten". Er jedenfalls habe seit Anfang August 1937 weder an Zusammenkünften noch an Fahrten teilgenommen - vor allem deshalb, weil er "im Auftrage der Caritas eine Schülergruppe von 10 Personen nach Kloster Prüm in der Eifel geleitet" habe und sich dort drei Wochen aufgehalten habe. In der Zwischenzeit habe sich der "Singkreis so gut wie aufgelöst, weil man erkannt hatte, dass das Fortbestehen der Organisation den Gesetzen zuwider gewesen wäre".

Nach dem Verhör, so legte der ermittelnde Gestapobeamte Sch. in einer Aktennotiz nieder, habe er noch erklärt, "dass die politische Einstellung der Mitglieder des Singkreises nicht positiv zum heutigen Staate zu nennen sei, und dass eine offene Gegnerschaft zur Einrichtung der HJ und Staatsjugend bestehe".


Die Fahrten, die man bis September 1937 unternommen habe, so sagte Martin M. am 6. Januar 1938 aus, seien zumeist vorher in der Wohnung von Hermann H. in der Trierer Straße vereinbart worden. An diesen Dienstag-Treffs hätten nicht immer alle Mitglieder der Gruppe teilgenommen; die Höchstzahl der Versammelten habe einmal 14 betragen, oft seien auch nur sechs Jugendliche anwesend gewesen. Neben dem Singen und der Organisation von Fahrten habe man sich anlässlich der Treffs bei H. über Dinge unterhalten, "die Jugendliche interessieren". "Irgendwelche politischen Ziele hatte der Singkreis, der kein Verein im üblichen Sinne war, nicht." Es habe nicht einmal politische Gespräche gegeben, wenn auch der "Deutsche Gruß" nicht angewendet worden sei.

Josef D. gab eine eigene Version zur Entstehung des "Singkreises": Da sich auf kircheneigenem Gelände keine Möglichkeit zum gemeinsamen Gesang mehr geboten habe, habe man seit April 1937 Singabende in der Wohnung von Hermann H. in der Trierer Straße veranstaltet. Beim ersten Treffen wären neben den vier zu einer "Sippe" zählenden Pfadfindern noch zwei weitere Jungen und "einige Mädels" anwesend gewesen. "Ob diese Jugendlichen aus früheren Pfadfinderbünden oder sonstigen bündischen Organisationen hervorgingen, kann ich nicht sagen. Der Zweck der Zusammenkünfte war, unseren Liederbestand für Fahrten nach auswärts zu ergänzen bzw. zu erhalten."

Er sei stets mit Martin M. auf Fahrt gegangen, habe die anderen allerdings unterwegs "zufällig" getroffen und sich ihnen angeschlossen. Die Touren seien durch den Königsforst, nach Bergisch Gladbach, Rösrath oder zum Strandbad Herrenstrunden gegangen. Das "Ammerländchen" und "Haus Steeg" bei Rösrath habe er dagegen gemieden, da diese Plätze wegen der dort verkehrenden "Navajos" einen schlechten Ruf hätten. Eine Verabredung, sich erst unterwegs und eben "zufällig" zu treffen, so D. auf die entsprechende Frage des Gestapobeamten, habe es nie gegeben. "Wohl wussten wir schon einmal von den Dienstagabenden her, wo sich die anderen Sonntags hinbegeben würden".



 

5. September 1937: Großes Navajo-Treffen auf Kirmes in Rösrath
12. Dezember 1947: Razzia auf der Margarethenhöhe
20. Dezember 1937: Durchsuchung - Verhaftung - Prozess: Das Ende eines "Singkreises"

Personen
Hermann H.
Josef D.
Maria M.
Martin M.
Hermann S.

Topografie
Ausflugsziel: Rösrath, Strandbad "Ammerland"
Ausflugsziel: "Königsforst", Königsforst
Treffpunkt: Köln, Trierer Straße 20

Lieder
Durch die Wellen braust ein Kiel
Eh die weißen Wogen
In der Latria Bianca
Platoff preisen wir den Helden

Lexikon
Kluft
Hitlerjugend (HJ)
Bündische Jugend
Gestapo
St. Georgs-Pfadfinder
Pfadfinder
Navajo