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HJ-Gebietsführung sieht Hitlerjugend durch "katholische Aktion" bedroht

Vermutlich im Oktober 1933 verfasst die HJ-Führung des Gebietes Köln-Aachen einen internen Bericht mit dem Titel "Betrifft die rheinische Bewegung der katholischen Jugend". Der Bericht beklagt, dass sich bereits "vor dem offiziellen Abschluss der Konkordatsverhandlungen" im gesamten rheinischem Gebiet "eine erhöhte Tätigkeit der gesamten katholischen Jugendverbände bemerkbar" gemacht habe. Nach Abschluss des Konkordats habe die katholische Jugendbewegung dann die zuvor "noch genommene Rücksicht" völlig fallen gelassen. "Aus diesem Zustand heraus hat sich über das ganze rheinische Gebiet hin eine lebhafte Agitation - zumal gegen die Hitler Jugendbewegung - entwickelt."

Der Bericht beklagt dabei insbesondere die schlechte Position der HJ-Führer und führt aus, dass diese im Vergleich zu den Leitern katholischer Gruppen weitaus abhängiger seien. Die jungen Führer müssten sich "der Disziplin der Schule und des Elternhauses gleichermaßen fügen ohne oftmals ihrer eigenen Entschlüsse durchführen zu können."

Der Bericht listet eine Fülle an Zwischenfällen als Belege dafür auf, wie stark sich die HJ in der Defensive befinde - eine aus der Perspektive der HJ-Gebietsführung nachvollziehbare Strategie, galt es doch, die im katholischen Rheinland beileibe noch nicht gefestigte Stellung des NS-Verbandes zu stärken. Am 29. Juli 1933 etwa habe die katholische Jungschar aus Nippes eine Straßenbahnfahrt unternommen, in deren Verlauf einer der Jungen gegenüber einem hohen HJ-Führer und ohne dass der begleitende Kaplan eingeschritten sei, folgendes geäußert: "Wir sind lieber in der Jungschar, sie bleibt auch bestehen. Jungvolk, das ist Mist, und Mist, der im Stall liegt, stinkt."

"Aber auch in den großstädtischen Schulen, zum Beispiel am Schiller-Gymnasium zu Köln", so der Bericht an anderer Stelle, würden die HJ-Mitglieder durch den Religionslehrer "schwer bestraft und zwar mit Arrest, weil sie die Schulmesse nicht besucht haben".

Der "aktive Dienst der HJ" würde durch die Aktionen von katholischer Seite "außerordentlich erschwert". Gerade in letzter Zeit gehe die katholische Aktion zum ausgesprochenen Gegenangriff auf die HJ über. Am Sonntag, dem 6. August 1933 seien nachmittags in Köln Truppen von "Neudeutschland" plötzlich "in feldmarschmäßiger Ausrüstung" marschiert. Auch an den darauf folgenden Tagen seien "an vielen Stellen in Köln Mitglieder von Neudeutschland in feldmarschmäßiger Ausrüstung und mit Schulterriemen versehen angetroffen" worden.

Die Situation wird seitens der HJ-Gebietsführung für die Jungvolk- und HJ-Mitglieder geradezu bedrohlich gezeichnet. "Die am Rande der Großstadt befindlichen katholischen Jungscharen", so hieß es etwa, "neigen bereits dazu, mit körperlicher Gewalt gegen die HJ vorzugehen. (...) Bezeichnend für diesen Zustand ist die Tatsache, dass zum Beispiel am 25. Juni 1933 der Ortsgruppenleiter der NSDAP den Kaplan in Weiden deshalb zur Rede stellen musste, weil ein Mitglied des Jungvolks von den Jungscharen im Nachtigallental misshandelt worden war." Offenbar will man den Eindruck erwecken, als mache die katholische Jugendbewegung geradezu "mobil": "In den Landkreisen scheut sich die katholische Aktion bereits nicht mehr, eine offene wehrsportliche Betätigung der katholischen Jugendverbände zu fordern und zu propagieren." In Altenberg bestehe sogar eine Führerschule zur Ausbildung der Führer der Jungmännervereine und katholischen Jungscharen im Wehrsport.

Die HJ-Gebietsführung malt ein bedrohliches Zukunftsbild und stilisiert die HJ als "Opfer": "Es fehlt nur noch, dass die katholische Aktion eines Tages in Form offener Gewalt gegen die HJ und NSDAP losschlägt. Viel fehlt vielerorts nicht mehr daran, dass es dahin kommt. So scheuen sich bereits die katholischen Jugendverbände nicht, ausgerüstet und bewaffnet durch die Lager der Hitlerjugend in den katholischen Landkreisen mitten hindurch zu marschieren. Am 7. September 1933 z. B. marschierten 80 Angehörige einer katholischen Jungschar in geschlossenem Zuge und mit klingendem Spiel mitten durch das Ferienlager Altenrath der Hitlerjugend. Die Hitlerjugend, die zahlenmäßig kaum stärker war und deren Führer es nicht zu einer blutigen Auseinandersetzung kommen lassen wollten, gab den Weg frei, erklärte aber, derartige Provokationen nicht weiter zu dulden."

Absicht des Berichts der Gebietsführung ist natürlich die vollständige Durchsetzung ihres Alleinvertretungsanspruchs. "Das einzige Mittel, was überhaupt noch allergrößten Schaden vorbeugend verhindern" könne, so heißt es daher, sei "eine radikale Abstoppung sämtlicher von der katholischen Aktion laufend durchgeführter Einzelmaßnahmen. Ein derartiger Erfolg lässt sich auf zwei Wegen erreichen: Es müssen entweder sämtliche katholischen Jugendorganisationen auf Grund der Vorkommnisse im rheinischem Gebiet mit sofortiger Wirkung überall da verboten werden, wo ihre Betätigung entgegen den Vorschriften des Konkordats über eine rein geistliche Pflege hinausgeht. Dieses Verbot würde sich auf sämtliche Vereine und Verbände erstrecken müssen, die einen wie auch immer gearteten so genannten Wandersport betreiben, da eher eine ruhige und zielsicherer Jugendarbeit im rheinischem Westen nicht möglich sein wird. Die zweite Möglichkeit wäre die, sämtliche konfessionellen und interkonfessionellen noch bestehenden Jugendverbände der Dienstgewalt der HJ dadurch zu unterstellen, dass den einzelnen Verbänden und Vereinen zwar der Fortbestand ermöglicht wird, die Förderer aber nur dann anerkannt werden, wenn sie dem Stabe der örtlich zuständigen untersten Gliederung, also etwa der Gefolgschaften oder der Unterbanne, eingegliedert würden, um damit in ihren Handlungen durch den Gefolgschafts- oder Unterbannführer laufend kontrolliert zu werden und diesen auch zu unterstehen." Es bedürfe keiner Frage, so die aus HJ-Sicht beängstigende Schlussfolgerung, "dass, wenn nicht wenigstens eine dieser Maßnahmen umgehend ergriffen wird, die rheinisch-katholische Aktion nicht mehr zu bändigen ist und das Vorgehen der Führer und Anhänger dieser Aktion zu den schwersten Erschütterungen des rheinischen Volkslebens führen muss."

"Zusammenfassend" schlug die HJ-Gebietsführung "daher nochmals folgende Maßregeln zur Eindämmung der volksschädlichen katholischen Aktion" vor:

"1. für sämtliche konfessionellen und interkonfessionellen Verbände wird ein Gebietsführer der besonders bedrohten rheinischen Gebiete mit sofortiger Wirkung als Reichskommissar eingesetzt,
2. der Reichskommissar hat sämtliche bisher nicht der HJ unterstellten Jugendverbände und Vereine mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn diese einer anderen Betätigungen als der einen geistigen Jugenderziehung obliegen,
3. sämtliche noch erlaubten konfessionellen und interkonfessionellen Jugendverbände und Vereine werden mit sofortiger Wirkung der Organisation der HJ insoweit eingegliedert, als deren Führer den örtlich zuständigen Stäben der HJ beizutreten haben und der Befehlsgewalt des entsprechenden Stabsführers der HJ unterstehen, dem auch ein Ablehnungsrecht bezüglich einzelner Führer zusteht."



 
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