Chronik 
Gründung des Clubs der Edelweißpiraten

Die einem Vernehmungsprotokoll der Gestapo entnommene "Satzung" des "Clubs der Edelweißpiraten"


Schülerwochenkarte: Auf der Rückseite notierte ein Edelweißpirat die Kurz- und Fahrtennamen sowie die Herkunft von Clubmitgliedern

Anfang Oktober spaltet sich aus der nahezu über 100 Personen umfassenden Gruppe am Leipziger Platz ein kleinerer Kreis von ca. 15 Jugendlichen ab. Die neue Gruppierung nennt sich "Bund der Edelweißpiraten". Sie hält am 15. Oktober in der Wirtschaft "Miebach in Köln-Nippes" ihre Gründungsversammlung ab.

Einen guten Einblick in die Hintergründe der Gründungsgeschichte des Bundes liefert Karl Heinz A. in seiner Vernehmung vor der Gestapo am 31. Dezember 1942. Er ist eine Woche nach der eigentlichen Gründungsversammlung gemeinsam mit Mathias Kl. und Franz H. in den Club aufgenommen worden: "Da uns die Masse am Leipziger Platz nicht mehr gefiel, wurde allgemein davon gesprochen, zuverlässige Jungen auszusuchen und dann einen Klub zu bilden bzw. einen festen Zusammenhalt zu schaffen. Da dieses aber nicht möglich war, kam der Klub "Edelweißpiraten" zustande. Der Vorschlag dazu ist nach meinem Wissen von L., Cr. und Th. ausgegangen. Bei späteren Besuchen in den Gaststätten Vaesen oder Klein am Leipziger Platz bemerkte ich, wie einige Jungen unter sich flüsterten und sich dann früh zurückzogen. Dieses veranlasste mich gelegentlich zu der Frage, was man vorhätte bezw. warum sie sich dauernd zurückzögen. Eines Abends fragte ich Cr., was den eigentlich los sei. Dieser bestellte mich dann an einem anderen Abend zur Haltestelle an der Viersenerstrasse. Hier wurde ich von Willi Th. abgeholt und zur Wirtschaft "Miebach" Ecke Sechzig- und Siebachstrasse geleitet." A. habe dann die Vereinsstatuten zu lesen bekommen und sein Einverständnis dazu geäußert. Daraufhin habe ihm Cr. die Schwurformel - Punkt 1 - vorgelesen, die er nachspricht: "Danach leistete ich meine Unterschrift mit dem Namen "Heini" Durch diese Unterschrift bekannte ich mich zum Klub und der Bündischen Jugend."

Nach Cr. und Th. umfassen die Statuten vier Punkte:

1. Ich schwöre, dass ich den Edelweiß-Piraten Treue und Gehorsam leiste und dass ich mich voll und ganz für sie einsetze, wenn nötig sogar mit meinem Leben.
2. Wir sind der goldene Mittelweg zwischen HJ und BJ.
Wir bilden einen Fahrtenklub zwischen uns. Weiter haben wir keine politischen Freunde und Feinde
3. Es ist eine Fahrtenkasse eingerichtet. In diese werden bei jedem Treffen Freitags 50 Pfg. eingezahlt. Der Betrag wird dann später auf der Fahrt gebraucht.
4. Das Mädel gehört zum Fahrtenjungen. Er aber auch zu ihr. Es wird aber auch besonders darauf hingewiesen, strengstes Stillschweigen ihr gegenüber über den Klub zu sprechen. Weiter keinem Freunde etwas darüber zu sprechen und sei es auch die beste Freundin.

Bei der Gründungsversammlung wird laut Auskunft verschiedener Jugendlicher über nahezu alle Punkte der Satzung debattiert. Man habe zunächst darüber geredet, ob man den Terminus "Bündische Jugend" in den Statuten aufnehmen oder durch den Begriff "Fahrtenjugend" bzw. Edelweißpiraten ersetzen solle und sich dann für letzteres entschieden. Außerdem sei Passus zwei sowohl in der Version "zwischen HJ und BJ" als auch in der Version "zwischen fremden Staaten und eigenem Staat" - so Franz Pr. - abgelehnt worden. Cr., der die Statuten ausgearbeitet hatte, habe eine Änderung in Auskunft gestellt. Ferner sei nach Mathias Kl darüber gestritten worden, ob die Fahrten mit oder ohne Mädchen erfolgen sollen. Schließlich habe man sich darauf geeinigt, dass die ersten zwei Mal "Mädchen mitgenommen werden" sollen, die nächste Fahrt aber "allein" auszuführen sei. Wegen dieses Themas geraten die Jungen eine Woche später wieder in Streit. Willi M. sagt vor der Gestapo aus, dass er nicht mehr auf Fahrt mitgefahren sei, weil die Mädchen weiterhin mitfahren durften.

Laut Schlussbericht der Gestapo vom 3. Februar 1943 haben danach insgesamt 15 Jugendliche die von Cr. ausgearbeiteten Statuten anerkannten und einen Schwur geleistet. Der Schwur wird von Cr., L. und Th. abgenommen, was Cr. in seiner Vernehmung vom 28. Dezember 1942 bestätigt: "Th. las nochmals Punkt 1 vor. Hierbei reichte ich L. meine Hand. Die anderen Anwesenden legten ihre Hände auf die von Sepp und mir und sprachen die Formel 1 nach. Dieses galt dann als Schwur und die Zugehörigkeit zur "Edelweiss-Piratenschaft" war dann gegeben."

Nach Aussage von Eduard L. habe die Schwurformel folgenden Wortlaut gehabt: "Ich schwöre, dass ich der Bündischen Jugend unbedingt Gehorsam leisten muss und jede Gefahr, sei es auf Leben oder Tod, ausstehen muss. Es ist strengste Pflicht strengstes Stillschweigen in jeder Sache zu wahren."

In Anlehnung an die Rituale des Vereinslebens wählt man auch im Club Edelweißpiraten einen 1. Platzführer (Cr.), einen 1. Wanderführer (L.) und einen stellvertretenden Platzführer (Th.).

L. gibt in einem späteren Verhör am 18. Januar 1943 freimütig zu Protokoll, dass der Zweck des Klubs Edelweißpiraten gewesen sei, aktiv zu werden: "Wiederholt habe ich aus den Gesprächen meines Umganges entnommen, dass alle gegen die HJ eingestellt waren. Einmal erzählte mir ein Teilnehmer - ich glaube es war Heinz Cr. - dass man im rrh. Gebiet ein HJ-Heim überfallen wollte. Auch bei anderen Unterhaltungen war es offensichtlich, dass man alles zu tun gedachte, was der Hitler Jugend schaden könnte. [...] Aus dem Gedanken, der HJ irgendwie zu schaden, ist der Klub Edelweiß Piraten entstanden."

Nur Th. gibt zu Protokoll, dass ein Streifendienst gegründet worden sei, der die Aufgabe gehabt habe, die Mitglieder hinsichtlich der Erfüllung ihrer Pflichten zu überwachen. Im Falle der Zuwiderhandlung sei den Mitgliedern Geldstrafen angedroht worden. Bei dreimaliger Weiderholung habe der Ausschluss aus dem Verein gedroht.



 
Gruppen
Edelweißpiraten (Leipziger Platz)
Edelweißpiraten (Club der Edelweißpiraten)

Lexikon
Nerother Wandervogel
Gestapo
Edelweißpirat