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Bild der 47. Woche - 20. bis 26. November 2006
Eines der wichtigen Sammlungsgebiete der Eheleute Irene und Peter Ludwig war die Malerei der sogenannten Russischen Avantgarde, eine der großen schöpferischen Bewegungen in der Kunst des 20.Jahrhunderts. Der Begriff umfasst die Kunstentwicklung im Russland der vor- und nachrevolutionären Zeit von etwa 1905 bis zum Ende der 20er Jahre. Russland erlebte in dieser Zeit einen beispiellosen Aufschwung intellektueller und kreativer Energie in allen Gattungen. Zur Unterscheidung von der russischen Malerei der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wird sie bisweilen auch als "Erste russische Avantgarde" bezeichnet. Sie hat verschiedene, sich zeitlich vielfach überschneidende Anssätze hervorgebracht: Neoprimitivismus, Kubo-Futurismus, Rayonismus, Suprematismus und Konstruktivismus. Während an dieser Stelle mit Verweis auf die Malerinnen Ljubow Popowa (s. BdW 05/2004) und Natalia Gontscharowa (s. BdW 46/2006) jeweils ein Werk des Kubo-Futurismus und des Neoprimitivismus angesprochen wurde, soll nun ein Gemälde Michail Larionows vorgestellt werden, welches dem sogenannten Rayonismus zugezählt wird. Larionow, der Lebensgefährte Natalia Gontscharowas, hatte mit dieser zusammen in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts den sogenannten Neoprimitivismus geprägt, in welchem er seine Erfahrungen mit der Kunst der französischen Avantgarde mit einem neu erwachten Bewusstsein für die Ausdruckskraft der russischen Volkskunst und Folklore verknüpft hatte. Anregungen für seine Werke (s. z. B. Bild rechts) fand er vor allem in den weitverbreiteten handkolorierten Holzschnitten (Lubok), in den buntbemalten Ladenschildern oder Tabletts der einheimischen Kunst. Gleichzeitig mit diesen Themen beschäftigte sich Larionow mit der Möglichkeit, gegenstandslose Bilder zu malen. Anlaß hierzu war ein Aquarell von William Turner, welches er 1906 auf einer Reise in London sah: "Dies hat mich darauf gebracht, daß es die Malerei nicht nötig hat reelle Formen zu imitieren", schrieb er in seinen Erinnerungen. Um 1910/11 entstanden erste Bilder, die Larionow und Gontscharowa später 'rayonistisch' nannten. 1912 folgte das "Rayonistische Manifest". Diese nur kurzlebige Kunstrichtung zog die neuen Erkenntnisse der Physik über die Materialität des Lichtes ein. Kompositionsprinzip war nun die Auflösung des Bildgegenstandes in konzentrierte Licht- und Strahlenbündel (Rayons), die den Bildraum in nahezu prismatischen Brechungen auffächern und eine starke Dynamisierung bewirken: Der Künstler widmet sich der Ausstrahlungskraft, die allen Gegenständen anhaftet, und unterwirft diese seinem ästhetischen Ausdruckswillen. Die dargestellten Objekte haben kaum mehr Bedeutung. Unser Bild "Rayonismus Rot und Blau (Strand)" zeigt so nicht mehr einen Strand mit Badenden, wie wir diese sehen, sondern Lichtbündel, die von den Objekten ausstrahlen. Der seit 1919 in Paris lebende Maler starb 1964 in Fontenay-aux-Roses.
T. Nagel