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Freitag, 2. März 1945
Diese Nacht 5-6 Uhr galt es noch einmal Abschied nehmen in einer äußerst
unruhigen Zeit auf sehr unbestimmt. Ach, hätten wir doch das Schrapnell,
welches an der Agnes-Kirche in etwa 5 Meter vor uns einschlug, doch
als ein gutes Omen betrachtet, so wie ich wollte, wir wären heute
noch in Nippes zusammen. Wer konnte aber auch ahnen, dass ich nicht
mehr nach rechtsrheinisch mehr konnte. Der Abschied an der Brücke
war mir das Schlimmste, was mir im Leben begegnete. Wärest Du,
liebe Sofie, da nicht gerne wieder mit um gekommen? Seit dem mache ich
mir sehr schwere Vorwürfe, Dich habe ziehen [zu] lassen. Man soll
doch wirklich am Freitag nichts Großes beginnen.! Oder hat es
doch noch sein Gutes, dass es von Freitag auf Samstag war!?
Samstag, 3. März 1945
Heute heißt es, Köln soll verteidigt werden, auch ich habe
ein "Sturmgepäck" geschnallt, man konnte nicht wissen,
wie es kommt. Köbes hatte mir einen Rucksack gemacht, wurde aber
nicht ganz fertig - komisch? Da wurde mir innerlich etwas klar? "Dir
klappt das Fortkommen nicht". Hätte ich da einen Menschen
zum Mitdenken gehabt, Heinz hätte sich verstecken müssen,
aber der Junge folgte seinem Befehl und blieb Kamerad.
Ebenso ich, hatte Befehl auf neue Anordnung zu warten, musste bleiben.
Dieser Samstag war sehr aufregend, da der Feind schon in Mengenich stand;
drum war es möglich, alles was an Männern in Nippes war, ran
zur Verteidigung. Einige V[olkssturm]-Kompanien gingen und waren schon
rechtsrheinisch. Für Nippes war es kritisch. Wollte Anna Bescheid
geben, fand aber niemand. Noch wusste Heinz nicht, was mit ihm geschah;
ich blieb die Nacht zu Hause und wachte, damit die Jungens im Keller
schlafen konnten.
Für Sonntagmorgen mussten sie sich zurecht machen, es heißt
"geschlossen zum Bunker Neurath bei Höhenhaus". Dieser
Befehl war unabwandelbar.
Sonntag, 4. März 1945
Heute um 7-8 Uhr heißt es Abschied nehmen von Heinz. Ich musste
auch fort zum Dienst, noch nie habe ich meinem Jungen einen Kuss gegeben,
da mir dies immer zu unmännlich [erschien], aber diesen Morgen
ging alles mit mir durch, ich musste Heinz umarmen und habe ihn heiß
und innig geküsst. Aber Heinz war tapferer als ich, ernst war er,
aber keine Träne. Hoffe, dass er so hart auch draußen bleibt.
Gott sei bei ihm und bringe ihn uns gesund wieder. Habe die Hoffnung,
dass er sich zu Dir, liebe Sofie, [nach Plettenberg] durchschlägt.
Ich glaube nun mehr, dass er jetzt offene Augen hat, denn alles was
die Nazi gesagt haben, ist nur Lug und Trug gewesen.
15. März 1945
Liebe Sofie!
Wenn wir diese Zeilen zusammen durchlesen, sind wir hoffentlich alle
drei gesund wieder beisammen, und Du, liebe Sofie, wirst niemals mehr
von mir gehen. Fangen dann ein neues Leben an und sei es noch so einfach.
Haben genug Herzeleid hinter uns! Dass Du nebst Irma in Plettenberg
gut angekommen bist, habe ich Gott sei Dank durch Herrn Meiniger im
Bunker erfahren. Ach, könnte ich Dir von mir doch nur ein Lebenszeichen
geben; wirst Dir doch sehr viel Sorge machen um mich und unseren lieben
Heinz. Gott wird uns alle drei doch wohl beschützen, damit wir
gesund uns wiedersehen, aber wann? Wo mag unser Heinz sein? Mit ganzem
Herzen bitte und bete ich, dass es [sich] doch noch alles zum Guten
wendet. Das Alleinsein, das Ungewisse und die Langeweile ist einfach
fürchterlich. Am guten und reichlichen Essen fehlt es mir nicht,
aber bei jedem Bissen, den ich tue, denke ich nur an Euch. So viele
Tränen habe ich noch nicht vergossen, wie in den letzten 11 Tagen;
die Ungewissheit macht mich toll!
10. Mai 1945
Hurra! Heute sind beide wohlbehalten um 7 Uhr angekommen!
Nun hat aller Kummer und Leid ein Ende.
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