Max von Oppenheim -
Forscher, Sammler, Diplomat
Der aus Köln stammende Orientforscher Max Freiherr von Oppenheim (1860-1946) lebte gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts viele Jahre als deutscher Diplomatin Kairo und Istanbul, wo er aktiv an der internationalen Politik teilnahm und Forschungen zur Geschichte der arabischen Völker durchführte. Er erfüllte sich damit einen Kindheitswunsch, den er seit seiner Schulzeit hegte. Doch zunächst strebte Oppenheim entsprechend dem Wunsche seines Vaters nach einer seriösen Ausbildung. Wenn er auch nicht der Familientradition des Bankhauses Sal. Oppenheim jr.&Cie. folgte, so immatrikulierte er sich doch erst einmal im Fach Jura. Nach seinem Referendariat in Köln wechselte Oppenheim an das Regierungspräsidium in Wiesbaden. Von dort aus begleitete er im Winter 1883/84 seinen Onkel auf eine Reise in die osmanische Türkei, bei derer nun erstmals den Orient kennenlernte, der ihn sofort ganz in seinen Bann zog.
Nach seiner Rückkehr richtete sich Max von Oppenheim in seiner Wiesbadener Wohnung ein türkisches Zimmer ein. Im Jahre 1892 unternahm er zusammen mit dem Mitbegründer des Rautenstrauch-Joest-Museums, dem Völkerkundler Wilhelm Joest, eine Forschungsreise von Marokko aus quer durch Nordafrika nach Kairo, wo er sieben Monate in einem traditionellen Haus in einem arabischen Viertel wohnte. Als Kenner der orientalischen Bräuche fiel ihm das opulente Leben arabischer Prägung nicht schwer.1896 trat Oppenheim in den diplomatischen Dienst und wurde dem kaiserlichen Generalkonsulat in Ägypten zugeteilt, eine Tätigkeit, die er bis 1909 ausübte. Damit begann sein "Doppelleben" als "Araber" und als Mitglied der privilegierten diplomatischenKreise. Die exotische Intimität seines Privatlebens konnte Max von Oppenheim während seiner Zeit in Kairo absolut verborgen halten, und der "Harem" seines Hauses blieb seinen europäischen Gästen ebenso unbekannt wie die sagenumwobenen Frauengemächer der osmanischen Sultane.
Auf verschiedenen mehr oder weniger ausgedehnten Forschungsreisen suchte Oppenheim Kontakt zu lokalen Stammesführern, um sich über die politischen und sozialen Verhältnisse zu informieren. Besonderes Interesse galt bei seinen Forschungen den Beduinenstämmen. Ausführlich dokumentierte Oppenheim, der die arabische Sprache und die Stammesdialekte fließend sprach, die gesellschaftliche Struktur und verwandtschaftlichen Zusammenhänge der Beduinen und veröffentlichte sie genauso in teilsmehrbändigen Werken wie weitere Arbeiten über Reiseeindrücke, sozialpolitische Verhältnisseim Orient sowie Teile seiner archäologischen Forschung.
Oppenheim war schon immer fasziniert von der Archäologie gewesen, der er vor allem nach 1899 durch einen schicksalhaften Zufall größere Beachtung schenkte. Während einer Erkundungsreise im Rahmen der Streckenplanung der Bagdad-Bahn entdeckte er den hethitischen Siedlungshügel Tell Halaf in Syrien, wo die älteste bekannte prähistorische Buntkeramik aus dem sechsten Jahrtausend v.Chr. zu Tage kam. Besonders beeindruckende Funde sind die reliefierten Steinplatten (Orthostaten) und Großplastiken. Max von Oppenheim sah sich nun zunehmend als Archäologe und finanzierte, nachdem er vorläufig aus dem diplomatischen Dienst getreten war, aus eigenen Mitteln seineGrabungen, die er 1913 nach zweieinhalbjähriger Dauer erst einmal abschloss. Erst nach den Wirren des Ersten Weltkriegs, starken persönlichen Finanzeinbußen und dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs konnten ab 1927 weitere Grabungskampagnendurchgeführt werden.
Während des Ersten Weltkriegs wurde Oppenheim 1914 als Sonderbotschafter nach Istanbul geschickt, um dort als Begründer der "Nachrichtenstelle für den Orient" die politischen Entwicklungen zu beobachten.
Neben seinen diplomatischen und archäologischen Tätigkeiten widmete sich Max von Oppenheim Zeit seines Lebens einer intensiven Sammlertätigkeit islamischen Kunsthandwerks. Er trug exemplarisch jene Stücke aus dem Vorderen Orient zusammen, die zu jener Zeit erhältlich waren. Systematisch suchte er nach Objekten, die stellvertretend für bestimmte Gruppen und Epochen standen. Nach seinen Aufenthalten im Nahen Osten wurden die Sammlungen nach Berlin transportiert, wo sie von einem Mitarbeiterstab im Rahmen der von ihm begründeten "Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung" erstmalig inventarisiert und beschrieben wurden. Vornehmliches Ziel der Stiftung war es allerdings, die archäologischen Tätigkeiten, die im Rahmen der Tell Halaf-Ausgrabung entstanden, zu koordinieren. Die Ausgrabungen aus der hethitischen Residenz am Siedlungshügel Tell Halaf wurden in einem eigens gegründeten Tell Halaf-Museum ausgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Objekte seiner Orientalia-Sammlung schmückten dagegen die Wände der Stiftung am Kurfürstendamm in Berlin, wo Oppenheim auch sein Domizil hatte. Während der Bombenangriffe am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Räume der Stiftung wie auch das Tell Halaf-Museum getroffen, wobei Vieles, vor allem die archäologischen Bestände, aber auch die wertvollsten Stücke aus islamischer Zeit, zerstört oder später geplündert wurden. Nur demengagierten Einsatz befreundeter Mitarbeiter der Stiftung verdanken wir die Rettung der übriggebliebenen Sammlungsstücke, die heute in Köln und Berlin wieder eine geeignete Unterbringung erfahren.
Max von Oppenheim starb am 15. November 1946, fast auf den Tag genau 47 Jahre, nachdem er den Tell Halaf zuerst betreten hatte. Zeit seines Lebens begegnete er derorientalischen Kultur mit Bewunderung und Respekt. Ohne seine Freundschaft und persönlichen Beziehungen zu den Menschen im Nahen Osten hätte sein Lebenswerk nicht in dieser Dimension entstehen können.
Andus Emge