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Bericht von Willi Moseler |
Ich bin in Köln-Nippes, Vinzenzhaus geboren, habe in der Hartwichstr. 73 gewohnt und die Volksschule Ossendorfer Str. (heute Osterrather Str.) besucht. 1940 wechselte ich zum Gymnasium Blücherstraße in Köln-Nippes. Am 9. Juli 1943 verbrannte unser Haus (wir wohnten zur Miete), während ich mit meiner Mutter im Bunker in der Werkstattstraße saß. Mein Vater hatte Nachtwache im Opernhaus, wo er arbeitete. (Es wurde kurz danach auch zerstört.) Wir krochen dann zuerst bei Verwandten unter, bekamen dann eine möblierte Wohnung in Köln-Höningen, deren Besitzer geflüchtet waren. Von dort musste ich jeden Morgen mit dem Fahrrad nach Nippes ins Gymnasium, bis wir im November 1943 eine ebenfalls möblierte Wohnung von einer Verwandten (Cousine, in die Eifel geflüchtet) in Nippes in der Schwerinstraße 21 beziehen konnten, um die Ecke vom Gymnasium. Im April 1944 ergatterten meine Eltern eine eigene Wohnung, zwei Zimmer, Bad, in der Tübinger Straße 16 ebenfalls in Köln-Nippes.
Schanzeinsatz am Westwall, Erftriegel und Kottenforst
Am 7. September 1944 wurde ich in der Schule Simon-Meister-Straße "notdienstverpflichtet", woraufhin wir vom Güterbahnhof Ehrenfeld mit der Eisenbahn nach Walheim bei Aachen transportiert wurden. Dort wurden wir - hunderte von Jungen - in einer Schule untergebracht. Wir sollten unter Anleitung der "Organisation Todt" vor der Höckerlinie einen Panzergraben ausheben. Zeitweise gab es Tieffliegeralarm und wir suchten hinter den Höckern Deckung. Nach vier Tagen, der Graben war etwa einen Meter tief, mussten wir wegen der anrückenden Front abhauen. Geschlossen marschierten wir bis Gressenich in eine Schule. Abends hauten wir zu viert ab nach Notberg und erreichten den letzten Zug nach Köln. Da wir keine Lebensmittelmarken hatten, meldeten wir uns wieder beim HJ-Bann in der Kamekestraße.
Schon am 18. September 1944 fuhr ich vom Kölner Hauptbahnhof mit dem Zug nach Düren, wo ich Artillerie-Beschuss erlebte. Untergebracht waren wir, rund 100 Mann, in einem Tanzsaal in Gürzenich. Leiter der Gruppe war der SA-Mann Dinkelrath. Wir mussten Laufgräben in den Weiden ausheben; mit Hacke, Schaufel und Spaten. Auf den Straßen wurden wir als Kolonne öfter von Tieffliegern angegriffen. Aber es ist nie etwas passiert. Angst hatten wir sowieso nicht, wir hatten ja die Bombennächte in Köln mitgemacht. Wir hatten die Lagerbezeichnung "Eiche zwei".
Anfang November kamen wir dann nach Vettweis zum Bunkerbau, d.h. es wurde eine Grube von circa 10 mal 10 Meter ausgehoben, die etwa 1,5 Meter tief war und seitlich rundum mit gestapelten Strohballen geschützt wurde. Als Decke wurde alle zwei Meter ein Baumstamm aufgelegt und ein Tarnnetz darüber gezogen.
Am 16. November 1944 fand ein sogenannter "Terrorangriff" auf Düren statt. Tags darauf marschierten wir dahin und mussten Straßen freischaufeln. Am 21. November bekam ich zehn Tage Urlaub.
In dieser Zeit wurden wir nach Villip bei Godesberg verlegt; Unterbringung dieses Mal in einem Tanzsaal und wie immer auf Strohlager. Die Versorgung erfolgte von der Burg Gudenau aus. Wir mussten im Kottenforst und bei Arzdorf wiederum Laufgräben ausheben. Und immer ging es mit Gesang zur Baustelle.
Am 1. März 1945 mußten wir schließlich fliehen, weil die Amerikaner kamen.
Die Flucht vor den Amerikanern
Von Villip brachte uns ein Landwirt auf dem Anhänger seines Traktors nach Mehlem zur Fähre nach Königswinter. Wir wurden tatsächlich übergesetzt. Da kein Fahrzeug zur Verfügung stand, sollte jeder sehen, wie er zum Sammelpunkt nach Herchen an der Sieg kam. Hier war zu jener Zeit ein Hauptverbandsplatz.
Zu Fuß gings nach Siegburg, wo meine Eltern sich aufhielten. Da der Hauseigentümer Einspruch erhob, konnte ich nicht dort bleiben. Per Anhalter und zu Fuß ging es also nach Herchen. Unsere Zahl nahm ab. Wir waren nun keine hundert mehr, sondern höchstens vierzig. Wir wurden nach Hoppengarten in die Schule verwiesen, wo wir unser Strohlager selbst organisieren mussten. "Organisieren" war überhaupt das Wort der Stunde. Denn Verpflegung gab es nicht, wir mussten betteln oder klauen gehen. Als nach einer Woche plötzlich fette Schweinehälften kamen und eine Erbsensuppe gemacht werden konnte, hatten alle ganz schnell Durchfall, es war zu fett.
Um den 20. März 1945 herum überschritten die Amerikaner in Remagen den Rhein und die Parole war nun: "Raus aus dem Ruhrkessel!" Wir waren ja Deutschlands "letzte Hoffnung".
Die Richtung war Norden. Wegen der Tiefflieger gings in Nachtmärschen zuerst bis nach Nespen; dort blieben wir zwei Tage. Es war der 30.März 1945, als es wieder in zwei Nachmärschen bis nach Neuenrade hinter Werdohl weiterging. Es war Ostern. Mit dem Zug fuhren wir bis Menden und dann zu Fuß bis Ober-Ösbern, ein kleines Nest. Hier blieben wir drei Tage in einer Scheune. Der Ruhrkessel war zu.
In Wimbern war dann Sammlung aller Herumziehenden, etwa hundert Hitler-Jungen. Ein SS-Offizier hielt eine flammende Rede, wir wurden aus der HJ entlassen und von der SS übernommen. Unsere Einheit: : "SS-Division Niederrhein, HJ-Regiment Köln, I.Bataillion, I. Kompanie". Nun erfolgte der Rückmarsch nach Menden und eine Zugfahrt nach Neuenrade. Von dort ging es mit Bussen nach Nümbrecht in ein ehemaliges Arbeitsdienstlager, bestehend aus Holzbaracken, die wir erst entlausen mussten. Das war am 5. April 1945.
Jetzt begann eine Ausbildung an der Panzerfaust. Wir wurden geschliffen, das machte uns total kaputt. Dann wieder Umzug in ein neues Quartier in Vilkerath. Aber der Ami rückte näher und wir wichen nach Hölzerhof aus. Und jetzt streikten die Unteroffiziere. Sie wollten nicht mit uns in ein Gefecht. Sie sagten, wir könnten uns in der Schreibstube die Entlassungspapiere holen. Aber diese hatte sich schon verdünnisiert. Von Vogelscheuchen holten wir uns nun Zivilröcke und machten uns auf in Richtung Köln.
In Altenberg trafen wir auf die Amerikaner. Es fiel kein Schuss. Vor dem Dom hatte das deutsche Rote Kreuz ein Verbandslager eingerichtet. Beidseits der Straße stand ein Panzer mit Schwarzen. "Have you pistoles, knifes? Go home to mother!"
Der Krieg war für mich aus!
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