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Betpult

Das Betpult Mariens erfuhr eine besonders komplexe Aufeinanderfolge an Veränderungen, angefangen von der Unterzeichnung über erste farbige Anlagen bis hin zur realisierten Fassung. In der Unterzeichnung war das Betpult im Bereich der Auflagefläche mitsamt dem darauf liegenden Buch insgesamt breiter und höher geplant (vgl. rote Kartierungslinien). Zudem war die vom Bildrand angeschnittene Frontseite fast vollständig von einem herabhängenden Textil bedeckt. Dem Fallverlauf und der breiten Fransenborte nach zu urteilen, könnte es sich hier um die Weiterführung des dargestellten Vorhanges im Tafelhintergrund gehandelt haben, der so die Darstellung am linken Bildrand gerahmt hätte. In der Malerei wurde der Vorhang an dieser Stelle jedoch niemals realisiert, vermutlich nicht zuletzt, weil seine Positionierung vor dem Betpult zu einer Verflachung der perspektivischen Raumwirkung geführt hätte. Im weiteren Malprozess unberücksichtigt blieb auch die zeichnerisch angelegte Form einer formatfüllenden Rosette auf der Seitenwange des Pultschränkchens. Anstatt dessen wurde auf Front- und Seitenwange zunächst eine andere Maßwerkform bestehend aus Rose, Dreiblättern und Lanzetten gemalt (vgl. grüne Kartierungslinien). Noch während des Malprozesses entschied man sich jedoch abermals um und realisierte schließlich die endgültige Version des Blendmaßwerks, eine Durchdringungsfigur aus Kielbögen. Alle drei Zierformen stellen Varianten parlerzeitlicher Maßwerke dar und reichen stilgeschichtlich in das 14. Jh. zurück. Die beiden ersten, auf Rosen basierenden Maßwerkformen weisen allerdings eklatante Konstruktionsfehler auf (u.a. in der ungeradzahligen Lanzettrosette, im Radialbezug und in der Symmetrie). Der Zeichner dürfte demnach mit der gotischen Baugeometrie wenig vertraut gewesen sein und verwarf die beiden Rosenelemente letztlich wohl aufgrund ihres Misslingens. Die final gewählte Durchdringungsfigur aus Kielbögen hingegen war einfacher zu konstruieren und im Kölner Raum vielfältig anzutreffen.

Parallel zu den Änderungen in Form und Zierornamentik des Betpults fallen auch die Umgestaltungen der angrenzenden Mantelpartien Mariens. Dazu zählen Veränderungen im Gewandverlauf sowohl im Schulter- als auch im Kniebereich. So umspielte die untere Mantelpartie in der Unterzeichnung die Seitenkante des Betpults und kam auf dem Podest zum Liegen während sie in der Malerei hinter dem Betpult verläuft und durch die so erzeugte Staffelung der Ebenen die perspektivische Wirkung der Darstellung verstärkt. (Die Interpretation der Maßwerkformen im Kontext der gotischen Baugeometrie verdanken wir Prof. Dr. Norbert Nußbaum, Köln)

 

 

 


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