Sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Zunächst darf ich Sie im Namen der Stadt Köln und des Oberbürgermeisters herzlich begrüßen.

Wir haben uns heute auf dem Friedhof Melaten versammelt, um am Tag des 100-jährigen Jubiläums der Eröffnung des Museums für Ostasiatische Kunst seiner Gründer, Adolf Fischer und seiner Frau Frieda, zu gedenken.

Als Bürgermeister dieser Stadt möchte ich ihre Verdienste würdigen und einen Kranz auf ihrem Ehrengrab niederlegen.
Denn mit dem von ihnen gestifteten Museum verfügt Köln über ein einzigartiges Juwel, das zugleich Vermächtnis und Verpflichtung ist.

Als am 25.10.1913 die feierliche Eröffnung des Museums für Ostasiatische Kunst in Köln stattfand, war dies das erste eigenständige Spezialmuseum für die Kunst aus China, Korea und Japan auf europäischem Boden.

Der Bau befand sich am Hansaring neben dem Museum für Kunst und Gewerbe.

Auf der anderen Seite stand das Schnütgen Museum und gegenüber die Fachhochschule für Kunst und Gewerbe.
Dieser Museumskomplex fiel dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer, deshalb ist uns dieser Ort als ehemaliges „Kunstzentrum am Hansaring“ nicht mehr geläufig.

Die Zeit um 1913 war eine Epoche voller Widersprüche und Spannungen; man könnte von der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen sprechen.

Einerseits gab es überall Zeichen eines Aufbruchs in die Moderne, andererseits war die Spätzeit des deutschen Kaiserreichs geprägt von chauvinistischem Großmachtstreben und obrigkeitsstaatlichem Denken.

Die Aufbruchstimmung der Avantgarde drückte sich vor allem in den Künsten aus, in Musik und Literatur, in der neuen sachlichen Architektur ebenso wie in der Kunst des Expressionismus - und nicht zuletzt in der Entdeckung des Unterbewussten durch die Psychoanalyse.

Das Streben nach Überwindung konventioneller Denkschemata mündete in einer neuen, viel tiefer gehenden Beschäftigung mit ostasiatischer Kunst, die zu einer einzigartigen Inspirationsquelle für die Moderne wurde.

Vor dem Hintergrund dieser Aufbruchstimmung und dieses Fortschrittsglaubens wird verständlich, welch hohe Bedeutung im Jahr 1913 der Eröffnung des Museums für Ostasiatische Kunst in der Rheinmetropole Köln zukam.

 

Die aus Wien bzw. Berlin stammenden Museumsgründer Adolf Fischer und seine Frau Frieda hatten seit dem späten 19. Jahrhundert auf zahlreichen Weltreisen eine Sammlung ostasiatischer Kunst zusammengetragen.
Ihre für die Zeit revolutionäre Botschaft lautete: ‚die Kunst Ostasiens ist der europäischen Kunst ebenbürtig,  ja mehr noch, es gibt so etwas wie „Weltkunst“, die sich an ein und denselben künstlerischen Maßstäben messen lässt.

Als das Ehepaar Fischer der Stadt das Stiftungsangebot unterbreitete, fanden sich innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Mäzene in Köln, die sich für die Gründung des Museums stark machten und Mittel für weitere Ankaufsreisen bereit stellten.

Die Gründer selbst steuerten neben der eigenen Sammlung und der Bibliothek zusätzliche Mittel für die moderne Ausstellungsgestaltung nach dem kühnen Entwurf des jungen Wiener Architekten Josef Frank bei.
So markierte der 25. Oktober 1913 einen herausragenden Höhepunkt in der Geschichte Kölns, das sich durch das neu eröffnete Museum für Ostasiatische Kunst zum Zeitgeist der Moderne bekannte.

Der heutige Tag gibt aber auch Anlass, einen Blick auf die Schattenseiten kölnischer Geschichte zu werfen.
Es ist Zeit, das Unrecht anzuerkennen, welches die Museumsgründerin während des Dritten Reiches erlitten hat.
Nach dem frühen Tod ihres Mannes trat sie, wie im Stiftungsvertrag festgelegt, seine Nachfolge als Museumsdirektorin an und führte das Haus erfolgreich durch die Wirren des ersten Weltkriegs und die schwierige Zeit der 1920er und beginnenden 1930er Jahre.
In zweiter Ehe mit dem Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes und Universitätsprofessor Dr. Alfred Wieruszowski verheiratet, wurde sie 1937 wegen der jüdischen Abstammung ihres Mannes in Missachtung aller ideellen und finanziellen Ansprüche aus dem ursprünglichen Stiftungsvertrag aus ihrem Amt vertrieben.

Sie durfte ihr Museum nicht mehr betreten. Wie dies für sog. „Mischehen“ üblich war, lebten sie und ihr Mann in völliger Entrechtung und Verarmung. Die Gebeine von Frieda Fischer-Wieruszowski, die 1945 wenige Monate nach ihrem Mann in Berlin verstarb, wurden 1952 in das Ehrengrab auf Melaten überführt.

So dient die heutige Kranzniederlegung nicht zuletzt der längst überfälligen Anerkennung und Würdigung des grausamen Schicksals der Stifterin und Museumsdirektorin durch die Stadt Köln.

 

An dieser Stelle danke ich dem Fördererkreis des Museums für Ostasiatische Kunst, der die Restaurierung des historischen Grabmals ermöglicht hat, so wie dem Friedhofsamt, das die Neubepflanzung realisierte.

Außerdem danke ich Herrn Dr. Beines für die historische Rekonstruktion sowie Frau Dr. Schlombs und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie den Tag des 100-jährigen Jubiläums, der ursprünglich durch eine Ausstellungseröffnung gekrönt werden sollte, als Tag des Gedenkens mit mir begehen.

Es ist verständlich, dass Sie sehnsüchtig auf die Wiedereröffnung ihres Haus warten. Um so mehr bitte ich die hier Versammelten, den Umstand der Sanierungsmaßnahmen als deutliches Zeichen zu werten, dass die Stadt Köln zu dem Stiftungsvertrag steht und entschlossen ist, das Museum für Ostasiatische Kunst für zukünftige Generationen zu bewahren und zu mehren.

Herzlichen Dank!