Kölner Domblatt 2014 - page 38

teren Veränderungen im Formverlauf der Schriftrolle sowie in der Mantelschlie-
ße festzustellen (Abb. 26). Interessanterweise sah die Unterzeichnung die Figur
Gottvaters in der großen, auf der Brust des Engels befindlichen Mantelschließe
noch nicht vor.
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Weniger ist mehr
Die hl. Ursula und ihre Gefährtinnen auf der linken Flügelinnenseite
In der Malerei der zentralen Figur der hl. Ursula wurden die unterzeichneten For-
men des Kopfes weitgehend realisiert, jedoch fanden gravierende Änderungen in
ihrer Handhaltung sowie in Form und Schmuck ihres Gewandes statt. Während
die Unterzeichnung ihre rechte Hand in einer locker herabhängenden Pose vor-
gibt, hebt die gemalte Version sie zur verschränkten Position mit der linken Hand
an (Abb. 27).
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Weitere Abweichungen zwischen Unterzeichnung und Malerei be-
treffen die Schulterpartie, den Halsausschnitt, die zeichnerisch sehr viel größer
und detailreicher gestaltete Brosche sowie den Faltenwurf, dessen schwungvoll
bewegte Zeichnung in der farbigen Ausführung einer vergleichsweise schlichte-
ren, geradlinigeren Faltenbildung wich (Abb. 8).
Die links der hl. Ursula dargestellte Gefährtin war in der Unterzeichnung
nicht in Halbrückenansicht, sondern im Seitenprofil mit etwas geneigterem Kopf
und schmalerer Silhouette der Figur geplant. In der farbigen Ausführung hatte
dieser Wandel in der Darstellung ihres Gewands zahlreiche Änderungen des Fal-
tenwurfs zur Folge. Zudem sah der über ihrem Arm hängende Mantelstoff und
ihr turbanähnlicher Kopfschmuck in der Unterzeichnung weiteres Zierwerk vor,
das in der Malerei ebenso entfiel wie ihre offenen, bis zum Gesäß herabfallenden
Haarsträhnen, die durch einen gemalten Zopf ersetzt wurden.
Die Reduzierung von Schmuckwerk in der Malerei kennzeichnet auch die dar-
gestellte Gruppe der Gefährtinnen. So sahen die grafischen Vorgaben für viele
Köpfe eine umfangreiche und aufwendiger gestaltete Zierde mit Blütenkränzen,
Stirnbändern, Hauben und Diademen vor (Abb. 28). Die Verminderung oder gar
der Verzicht ganzer Elemente des Kopfschmucks führte in vielen Fällen zur er-
weiterten Darstellung der Gesichter. Da dies jedoch keinesfalls ausnahmslos gilt,
war die verstärkte Sichtbarkeit der Gesichter voraussichtlich nicht der maßgebli-
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iris schaefer
·
caroline von saint-george
33
Vgl. Lauer, Schulze-Senger, Hansmann [
5
],
S. 20.
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Die Form der herabgeneigten Hand findet
sich in der Darstellung der hl. Ursula in einer
Initiale des Darmstädter Stundenbuchs: Stefan
Lochner, Stundenbuch, um 1451, Hessische
Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt,
Hs 70, fol. 197r.
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