Frühe Tondokumente der Beduinen

"Ich habe die Absicht auf meine auf mehrere Jahre berechnete Expedition nach Mesopotamien usw. […] einen Phonographen mitzunehmen, um Lieder, Gedichte etc. von Beduinen und anderen Eingeborenen sowie evtl. auch die von diesen vorgetragenen Musikstücke auf den bekannten primitiven Instrumenten aufzunehmen." Max von Oppenheimschrieb diese Zeilen 1911 an Erich Moritz von Hornbostel, den Leiter des Berliner Phonogramm-Archivs. Nur zu gerne stellte ihm dieser einen Edison-Phonographen, einen Vorläufer der modernen Tonaufzeichnungsgeräte, für seine Reise zur Verfügung.

Die Musikaufnahmen Oppenheims entstanden 1913 im Zusammenhang mit der Grabungskampagne am Tell Halaf in R'as al-'Ain im heutigen Syrien, nahe der Grenze zur Türkei. Einige der Tondokumente sind von ausgezeichneter Klangqualität. Von 33 bespielten Wachswalzen sind allerdings nur 16 erhalten. Archäologen, welche die Zeit an den Grabungsstätten auch für eine Dokumentation der dort ansässigen Bevölkerung und ihrer Kultur nutzten, verdanken wir heute wichtige Tondokumente zur vorderorientalischen Musik.

Die karge Begleitdokumentation zu den Aufnahmen gestaltet die Einordnung und Interpretation der Tondokumente äußerst schwierig. Einige der Aufnahmen halten das Spiel auf der Doppelklarinette (mutbadsch) fest. Die Titel deuten darauf hin, dass instrumentale Fassungen von Liedmelodien aufgenommen wurden.

Den Kern der Sammlung bilden Schallaufnahmen mit dem Ensemble des Said Ibn Muhammad, einem Spießgeigen (rabab)-Spieler, der seinen Gesang auf einem einsaitigen Instrument begleitet und rhythmisch von einem Trommel (tabla)-Spieler ("Abu Haschisch") unterstützt wird. Obgleich die Spießgeige als ursprünglich beduinisches Instrumentgelten darf, legt die vorliegende Besetzung die Vermutung nahe, dass es sich bei den Ausführenden um Zigeuner handelte. Bemerkenswert unter den Schallaufnahmen Said Ibn Muhammads ist vor allem der "Hymnus aus dem Stegreif auf Freiherrn von Oppenheim", ein Lobgesang, der ein altes Genre beduinischen Musizierens darstellt.

Tonaufnahmen von zwei (?) Langhalslauten (tanbur)-Spielern, die unter anderem türkische Märsche intonierten, sowie von einem "türkischen Rekrutenlied", das auf einer"deutschen Guitarre" vorgetragen wurde, komplettieren die Sammlung, zu der Max von Oppenheim alle Liedtexte in Arabisch niederschrieb.

Ulrich Wegner


28 »[Beduinische] Singspielgruppe: Muhammed ibn Faris, gen.[annt] Abu Haschisch, Said ibn Muhammed und Husein ibn Derwisch.« R’as al-‘Ain, 1913.