Okzidentalismus
Spätestens seit etwa 1800 rückte der Orient stärker
ins europäische Bewusstsein. Daraus entstand eine selektive Mode für
Islamisches: der Orientalismus. Dieser Mode im Westen entsprach umgekehrt
eine besondere Vorliebe für Europäisches im Osten. Die orientalische
Haltung bezeichnet man entsprechend als Okzidentalismus, das heißt Mode
abendländischen Lebensstils und abendländischer Waren. Gleichzeitig
verlor die islamische Welt viel von ihrer wirtschaftlichen und politischen
Selbständigkeit an die industrialisierten europäischen Mächte.
Vor diesem Hintergrund nahmen viele Formender islamischen Kunst europäische
Züge an. Die okzidentalistischen Stile, die hieraus entstanden, betrachtete
man lange als dekadent und als Zeichen einer untergehenden Kultur. Durch den
sich wandelnden Lebensstil in den islamischen Ländern, dem die in Europa
industriell hergestellten Waren besser entsprachen, war das Überleben
der traditionellen Handwerke bedroht. Andererseits erlebten manche Kunstformen,
wie etwa ägyptische Metallarbeiten, eine Renaissance. Die neuen Produkte
im traditionellen Stil übertrafen oft die alten in Qualität und
Quantität. Sie wurden sowohl für einheimische Kunden als auch für
den Export nach Europa geschaffen. Hier zeigt sich eine neue Wechselbeziehung
des Orients mit dem Westen. Letztlich hatte der westliche Einfluss jedoch
relativ geringe Wirkung auf die grundlegenden islamischen Prinzipien und Formen
des Kunsthandwerks. Wesentlich gestützt wurde die kulturelle Stabilität
durch den Islamselbst, der im 19. Jahrhundert eine bedeutende Ausbreitung
in Afrika und Südostasienerlebte.
Ulrich Wiesner
Waffen
Die Kriegführung war einer der wichtigsten Faktoren im
Leben der islamischen Welt. In den frühen Jahren seines Auftretens scheute
der Prophet Muhammad die Anwendung von Gewalt. Bald aber wurde es für
die kleine ungeschützte Gemeinde notwendig, sich zu verteidigen. Viele
Verse des Korans legen den Gläubigen die Pflicht auf, für ihre Religion
zu kämpfen. Die Teilnahme an einem göttlich gerechtfertigten Kampf
(dschihad)wird dem Koran nach mit dem Paradies belohnt. Die oft reich dekorierten
Waffen und Rüstungen wurden jedoch nicht nur zum blutigen Kampf gebraucht,
sondern auch zur Demonstration der überlegenen Rolle, welche die militärische
Klasse in der Gesellschaft spielte. Im Sinne traditioneller Herrschaftssymbole
wurden alte Waffentypen beibehalten, die kriegsmäßig nach der Übernahme
des Schießpulvers längst überflüssig geworden waren.
Schießpulver wurde in den islamischen Ländern bereits im 13. Jahrhundert
eingesetzt, und bei der Eroberung von Konstantinopel 1453 spielten Kanonen
eine wichtige Rolle. Die Osmanen waren die Pioniere dieser neuen Kriegführung.
Gewehre fanden seitdem 16. Jahrhundert Verbreitung.
Das Interesse europäischer Sammler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
galt vor allem den Stahlwaffen. In den "Orientalischen Kabinetten"
der Zeit wurden gekreuzte Säbel und Dolche martialisch zur Schau gestellt.
Unter den osmanischen Dolchen beziehungsweise Messern mit Damaszenerklingen
findet sich in der Sammlung Oppenheim zumindest ein Stück mit Rinnen-
und Goldtauschierung aus dem 17. Jahrhundert. Aus dem 19. Jahrhundert datieren
neben weiteren osmanischen Stücken ein kadscharischer, ein südarabischer
und ein maghrebinischer Dolch. Vier geschwungene türkische Säbel,die
Oppenheim in seiner Berliner Wohnung zu Dekorationszwecken nutzte, entstammen
ebenfalls der Spätzeit.
Ulrich Wiesner
Metallarbeiten
Der Materialwert und die fast unbegrenzte Haltbarkeit gaben
funktionalen Gegenständen aus Metall ein viel höheres Prestige,
als solchen aus Keramik und Glas. Bestimmte Gebrauchsgegenstände wurden
fast ausschließlich aus Metall hergestellt wie zum Beispiel Weihrauchbrenner
und Leuchter, große Becken und Teller, Tintenfässer und Schreibkästen
sowie Mörser und Stößel. Als wichtiges Element wurde die arabische
Schrift in die begrenzte Auswahl an Dekormotiven aufgenommen, die sonst aus
Knotenmotiven und Blattwerk bestand. Im 10. und 11. Jahrhundert entsprach
die reine Gravierung der Metalloberfläche nicht mehr dem neuen Schmuckbedürfnis.
Die Bronzeobjekte wurden durch feine Silber- und Goldeinlagen, so genannte
Tauschierungen, veredelt. Dekorthema dieser Arbeiten, die unter der Herrschaft
der Seldschuken entstanden, waren höfische Gelage, bei denen Musikanten
aufspielten. In der Nachfolge der Seldschuken entwickelten sich in Iran, in
Ägypten und im Osmanischen Reich Zentren der künstlerischen Metallverarbeitung.
Osmanische Metallarbeiten wurden parallel zur Entwicklung dieses Imperiums,
das viele Länder und Völker umfasste, zu einem Schmelztiegel der
verschiedensten künstlerischen Tendenzen. Wie bei allen anderen Kunstrichtungen
auch, wurde die Gestaltung zentralistisch vom Palast des Sultans ausgelenkt.
Eine besondere Blüte der osmanischen Metallverarbeitung stellt das feuervergoldete
Kupferzeug (tombak) dar. Im 18. und 19. Jahrhundert haben die klassischenosmanischen
Formen ihren Platz denen des aus Europa importierten Barock und Rokokoüberlassen.
Daneben findet in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine erstaunliche
Renaissance historischer Stile, vor allem des mamlukischen Stils Ägyptens,
statt. Die goldtauschierten Stücke wurden für eine farbenprächtige
Umgebung mit Teppichen, Seiden- und Plüschstoffen geschaffen. In Iran
kam es später zu einer erneuten Verarbeitung von Gold und Silber in Geräten
aus Eisen und Stahl.
Ulrich Wiesner
Islamische Dekore
Die Vorschriften des Korans sind sozialer und religiöser
Natur. Kein Aspekt des Lebens bleibt von ihnen unberührt. Der Bann auf
die darstellende Kunst in Bereichen wie den Moscheen ist besonders bezeichnend
und hatte zur Folge, dass der künstlerische Erfindungsgeist der islamischen
Welt sich statt der abbildhaften abstrakt-geometrische Ausdrucksmöglichkeiten
suchte. Geometrische Dekore sind indessen nicht beliebigabstrakt. Ihre Figuren
und Konstruktionen sind mit symbolischen, kosmologischen und philosophischen
Bedeutungen belegt. Der Islam entstand in der Welt der Wüste, bei nomadischen
Menschen, die mit leichter Ausstattung reisten. Kleidung, Stoffe, Teppiche
und Zelte waren daher die hauptsächlichen Träger der bildenden Künste.
Deren Techniken erforderten eine strenge Disziplin. Die gleichen Designs wurden,
unabhängig vom Maßstab, für alle Medien angewendet - waren
es nun Textilien, Bauornamente, Buchillustrationen, Schnitzereien, Metallarbeiten
oder Keramiken. Die muslimischen Handwerker schufen wundervolle Werke auf
der Basis einfacher geometrischer Dekore, der Schrift und traditioneller pflanzlicher
Motive.
Ulrich Wiesner
Islamische Keramik
Die in aufwendiger Technik hergestellten glasierten Gefäße
waren für die wohlhabende Stadtbevölkerung und vor allem für
den Hof bestimmt. Fliesen und Fayencemosaiken wurden zum Schmuck der prachtvollen
Bauten geschaffen. Daneben bestand ein spannungsreiches Verhältnis zur
chinesischen Keramik. Importiertes weißes Porzellan aus dem Tang-China
des 9.Jahrhunderts inspirierte die muslimischen Töpfer, eine Ware mitähnlichem
Aussehen herzustellen. Die Rohmaterialien, die das chinesische Porzellaneinzigartig
hart und weiß machten, hatte man zwar nicht zur Verfügung. Man
besaß aber eine lange Tradition des Glasierens und verschiedene Techniken,
um eine weiße Oberfläche wie bei den chinesischen Beispielen zu
erzielen. Der mit Silber erzeugte Lüstereffekt zeichnet besonders die
islamische Keramik des 9. bis 14.Jahrhunderts aus. In Iran wurden Techniken
mit verschiedenfarbigen Überzügen erarbeitet. In Ägypten wurde
im12. Jahrhundert ein neues Material, die Quarzfritte-Keramik, entwickelt,
das sich rasch über Syrien bis nach Iran verbreitete. Es ermöglichte
wie in China die Herstellung besonders dünner Gefäße, die
meist islamische Dekore trugen. In Kaschan, Iran, entwickelte man um 1200
eine Glasur, bei der die Farben, insbesondere Kobaltblau, nichtverflossen.
Im 14.Jahrhundert übernahmen die Chinesen die Technik, vor dem Glasieren
mit Kobaltblau direkt auf den Scherben zu malen. Seit dieser Zeit beherrschten
die chinesischen Blauweiß-Porzellane den islamischen Markt. Nach der
Verlegung der osmanischen Hauptstadt nach Istanbul 1453 wurden in Iznik Töpfereien
gegründet, die für das riesige Bauprogramm der neuen Hauptstadt
vor allem Kacheln lieferten.
Ulrich Wiesner
Kaffeegenuß
Kahwa ist das arabische Wort für Kaffee und die Grundlage
für seine Bezeichnung in den verschiedensten Sprachen. Die Heimat der
Kaffeepflanze liegt dagegen nicht im arabischen Raum, sondern im Hochland
Äthiopiens. Um 1400 wurde sie in den Jemengebracht. Vermutlich waren
es zuerst jemenitische Sufis, die während ihrer religiösen Praktiken
Kaffee wegen seiner stimulierenden Wirkung tranken. Bereits 1414 wurde Kaffee
auch in Mekka und in den Moscheen des Hidschas getrunken. Bald darauf eröffneten
Kaffeehäuser, in denen Männer und Frauen sich beim Kaffeegenuss
mit Musik oder Schachspiel vergnügten. Hier wurde auch die Wasserpfeife
geraucht, mit welcher der Rauch vor dem Inhalieren durch Wasser gefiltert
und gekühlt wird. Der stimulierende Effekt des Kaffees führte immer
wieder zu religiösen Diskussionen um die Zulässigkeit seines Genusses.
Vielfach wurden von politischer Seite Verbote erlassen, da die Kaffeehäuser
unliebsame Diskussionsforen darstellten. Im Laufe der Zeit setzten sich die
Kaffeehäuser jedoch bis in die Türkei durch, wo sie als Zentren
des Amüsements und der literarischen Bildung galten. Schon bald gelangte
der Kaffee über Venedig, London und Wien auch nach Europa. 1677 eröffneten
die ersten Kaffeehäuser in Hamburg und Wien. Die ausgestellten kleinen
Kaffeekannen, die in traditioneller Technik mit Schnabel aus einem Stück
geformt sind, zwei Kaffeemühlen und ein großer Röstlöffel
sind somit Zeugnisse auch der Geschichte des Genussmittels Kaffee. Kaffeekannen
mit langem Schnabel dienten der Zubereitung des so genannten Murra-Kaffees,
der mit Kardamom aufgebrüht wurde.
Jörg Kruth
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37 Osmanische Waffen als Wanddekoration in Max von
Oppenheims Berliner Wohnung, 1913.
38 Ensemble islamischer Metallarbeiten aus der Sammlung Oppenheim, 14. bis 16. Jahrhundert.
39 Sternfliesen (Baudekor).
Ilkhanidisch (Kaschan, Iran), 13. Jahrhundert. Fayence,
u.: mit blauem Lüster, Durchmesser: 20,5cm, Dicke: 1,5cm (SO 121); o.:
Durchmesser: 18 cm, Dicke: 1,5 cm (SO 122).
40 Kaffeekanne (ibrik).
Osmanisch, 19. Jahrhundert. Messing/Kupfer, z.T. vergoldet,
Durchmesser Standfläche: 9 cm, Höhe: 24 cm. (SO 1021)