Kölner Domblatt 2014 - page 52

47
Diese Charakteristika stehen im größten
Gegensatz zur sog. arbeitstechnischen Unter-
zeichnung, bei der Vorlagen mithilfe diverser
Methoden mechanisch übertragen werden. Im
Fall des Altars der Stadtpatrone fehlen bislang
jegliche Hinweise auf traditionelle Übertra-
gungsverfahren, zu denen neben der sog. Spol-
vero- und Calcho-Methode auch die Quadrie-
rung zählt. Vgl. Siejek, Kirsch [
18
], S. 182−215.
48
Vgl. Georg Habenicht: Die ungefaßten Al-
tarwerke des ausgehenden Mittelalters und der
Dürerzeit, Phil. Diss. Göttingen 2002, S. 102
<
-
0006-B385-4> [31. 7. 2014].
49
In Vertragsurkunden des Domkapitels der
Xantener Stiftskirche mit dem Maler Bartholo-
mäus Bruyn d. Ä. und dem Kölner Schreiner
Wilhem van Ruremunde weisen die Bezeich-
nungen ›exemplar‹ bzw. ›exemplair‹ auf
entsprechende Vorzeichnungen hin. Vgl.
170
iris schaefer
·
caroline von saint-george
an eine weitgehend freihändige Übertragung von separaten Vorzeichnungen den-
ken.
47
Durchaus zu vermuten sind dabei einst auf den Tafeln befindliche Hilfs-
oder Orientierungslinien, die heute nicht mehr im Infrarot kenntlich zu machen
sind. Ein vager Hinweis auf die Existenz solcher Hilfslinien könnte ein vom rei-
nen Motiv unabhängiger, bogenförmiger Strichverlauf der Unterzeichnung auf
der rechten Flügelinnenseite sein, der vom linken unteren Tafelrand bis zur Fuß-
spitze des hl. Gereon reicht (Abb. 37).
Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass die vermuteten separaten Vorzeich-
nungen keine detaillierten Kompositionsentwürfe darstellten. Möglicherweise
handelte es sich dabei sogar lediglich um Visierungen im Sinne von Präsentati-
onsentwürfen oder Vertragszeichnungen. Derartige Zeichnungen, auch Muster,
Form oder Manier genannt
48
, sind für die Kölner Maler zwar erst seit den 1520er-
Jahren durch erhaltene Vertragsurkunden mit Bartholomäus Bruyn d. Ä. belegt,
dürften aber bereits früher zur gängigen Praxis gezählt haben.
49
Wie für Bruyn
d. Ä. bekundet, sind dabei auch maßstäblich verkleinerte Zeichnungen des ge-
planten Altarwerks in Betracht zu ziehen.
50
Generell waren Visierungen meist
kleinformatig, noch nicht vollständig durchgearbeitet, legten aber alle wichtigen
Züge eines geplanten Gemäldes bereits fest.
51
Unter dieser Voraussetzung wären in jedem Fall die eher sparsamen und skiz-
zenhaften Unterzeichnungen in weiten Teilen der Mitteltafel und auf der rechten
Flügelinnenseite erklärbar. Während diese womöglich nur die Liniengerüste der
Visierungen wiedergeben, könnten die ausführlicheren Unterzeichnungen auf
den Flügelaußenseiten, auf der linken Flügelinnenseite sowie teilweise auch auf
der Mitteltafel Weiterentwicklungen der transferierten Vorzeichnungen darstel-
len, ein Vorgehen, das grundsätzlich üblich war.
52
Dass die separaten Vorzeichnungen nicht alle Motive imDetail klärten und vo-
raussichtlich noch weitere Vorlagen zum Einsatz kamen, legt nicht nur die Un-
1...,42,43,44,45,46,47,48,49,50,51 53,54,55,56,57,58,59,60,61,62,...63
Powered by FlippingBook